Full text: L-Z (2. Band)

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Stabilitäts-Problem. 
tritte sich wiederholen sehen, welche un 
mittelbar auf die Einführung der grego 
rianischen Verbesserung folgten, und de 
neu man sicherlich hatte zuvorkommen 
können, wenn der Vorschlag zur Verbes 
serung schon 150 Jahre vor der wirk 
lichen Ausführung ernstlich angeregt 
worden wäre. Es fragt sich, ob dazu 
etwa ein Congreß aller europäischen Mo 
narchen erforderlich sey. Ein solcher würde 
offenbar zu keiner Entscheidung führen, 
wenn nicht schon vorher eine Ucberein- 
kunft der sachverständigen Gelehrten über 
den künftigen Modus der Emschaltung 
stattgefunden hat. Und dazu muß nach 
meiner unmaßgeblichen Meinung sehr 
bald geschritten werden, weil der Ge 
genstand von selbst zur Sprache kommt 
bei der Anfertigung neuer Tafeln des 
Sonnen-, Mond- und Planeten 
laufs, in welchen bekanntlich allemal 
eine Rubrik für die mittleren heliocen 
trischen Längen in künftigen Jahrhunder 
ten , mit ausdrücklicher Datums-Bezeich- 
nung, vorkommt, — welche Tafeln näch 
stens unausweichlich werden erneuert wer 
den müssen, da die jetzigen schon fast zu 
sehr vom Himmel abweichen. Hat nun 
einmal eine solche Uebereinkunft der Sach 
verständigen stattgefunden, so werden die 
Monarchen dem Vorschlage unbedenklich 
folgen. Aber es fragt sich: Welche Par- 
thei wird die römische Curie ergreifen, 
sammt allen den Christen, welche den 
Anordnungen derselben unweigerlich Folge 
leisten zu müssen glauben? Wird irgend 
ein Papst sich entschließen, eine von sei 
nen Vorgängern ausgegangene oder be 
stätigte Verordnung für irrig oder man 
gelhaft zu erklären? Doch auch dieses 
Bedenken schwindet, wenn wir erwägen, 
daß überhaupt kein cyklisches Zeitrech 
nungssystem für die Ewigkeit unverän 
dert bleiben kann, indem die mittleren 
Umlaufszciten aller Himmelskörper durch 
spätere Beobachtungen unaufhörlich, wenn 
auch nur in immer geringeren Kleinig 
keiten, berichtigt werden, und daß na 
mentlich die vom Papst Gregor XIII. ge 
schehene Anordnung in der That alles 
Mögliche leistete, was man nach dem 
damaligen Zustande menschlicher Wissen 
schaft verlangen konnte (zumal, da mei 
nes Wissens in dem betreffenden Edicte 
keine Stelle vorkommt, welche verordnet, 
- daß diese neue Ordnung in Ewigkeit 
- uncorrigirt beibehalten werden solle),— 
- endlich daß das alte System in dem von 
uns hier vorgeschlagenen neuen als ein 
integrirender Theil mit enthalten ist, so 
daß der frühere Gebrauch nicht, wie es 
zur Zeit der gregorianischen Verbesse 
rung geschah, für irrig erklärt zu wer 
den braucht. 
Höchst interessant ist es, dem Erfolge 
nachzuspüren, welcher sich von der hier 
vorgeschlagenen Maßregel erwarten läßt, 
wenn es darauf ankommt, den genauen 
Anschluß derselben an den wahren Son 
nenstand nicht bloß im Ganzen, sondern 
auch im E i n z e l n e n nachzuweisen. Denn 
es könnte jemand fragen, ob es, bei der 
Veränderlichkeit der Länge des tropischen 
Jahrs und bei den sonderbar verschlun 
genen Säcular-Ungleichheiten der Ercen- 
tricität und Apsidenlinie der Erdbahn, 
nicht rathsam sey, diesen Veränderungen 
gleichsam auf dem Fuße nachzufolgen, 
d. h. den Schalttag in einigen Jahrtau 
senden öfter, in anderen seltener zu 
unterdrücken. Man könnte sagen, es 
helfe nichts, das mittlere tropische 
Jahr bei der Einschaltungsregel zum 
Grunde zu legen, wenn dadurch etwa die 
wahre Frühlings-Nachtgleiche, die im je 
tzigen Zeitalter auf den 20. März fällt, 
künftig bis in die letzten Tage des Fe 
bruar zurück, dann vorwärts bis in die 
ersten Tage des April wandern, und erst 
im Jahre 30000 wiederum auf den 20. 
März zurückversetzt werden sollte. Die 
Sache schien uns wichtig genug, einer 
durchgreifenden Prüfung unterworfen zu 
werden. Ist einmal für die Säcular- 
gleichungen der Ercentricität und Apsiden 
linie und Präceision eine Formel gefun 
den, vermittelst deren man bis zum Jahre 
30000 den Stand der Sonne gegen die 
Aequinoctialpuncte auf eine Ungewißheit 
von weniger als einem ganzen Tag be 
stimmen kann, so ist es danach ein Leich 
tes, sich über die allmälige Fortschrcitung 
des Augenblicks der Nachtgleiche durch 
alle 30000 Jahre die vollkommenste Kennt 
niß zu verschaffen, und man kann ein 
ähnliches Verfahren auch auf den Gang 
der S olst itie n (Augenblicke des Som 
mers- und Wintersanfangs) übertragen. 
Daö haben wir gethan und gefunden, 
daß (ene Furcht des Zurückweichcnö der
	        
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