Full text: L-Z (2. Band)

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Stabilitäts-Problem. 
jetzt geschieht. Dieser Gebrauch schreibt 
seinen Ursprung aus früheren Zeiten her,! 
wo das Eingreifen der religiösen Be 
dürfnisse in die bürgerlichen im Allge/ 
meinen lebendiger war, als jetzt. Wer 
sich nun jetzt in seinen bürgerlichen Ge 
schäften durch die ungleichmäßigen Ab 
schnitte gedrückt fühlt, sollte lieber ein 
fach wünschen, solche Abschnitte von be 
weglichen Festen unabhängig gemacht, 
als diese Feste firirt zu sehen. Für lein 
frommes Gemüth ist zur Beibehaltung 
der Beweglichkeit des Festes schon 
rin mehr als hinreichender Grund der, 
daß, wenn das Osterfest z. B. auf sei 
nen mittleren Termin firirt würde 
und nur vom 5ten bis Ilten April 
schwankte, die letzten Epiphanias - und 
Trinitatis-Sonntage für immer weg 
fallen würden, deren kirchliche Perikopcn 
bei ihrem mystischen und tief-ernsten In 
halt (Ernte der Welt, Verklärung, jüng 
stes Gericht) durch ihre seltenere Wieder 
kehr einen eigenthümlichen Reiz der Neu 
heit erhalten. Man sieht, wie hier im 
mer eins mit dem andern zusammenhängt; 
das christliche Osterfest ist nun einmal 
geschichtlich aus dem jüdischen Pascha 
und folglich aus dem gebundenen 
Mondjahre hervorgegangen (wassich 
auch Luther nicht lebhaft genug verge 
genwärtigt zu haben scheint, denn sonst 
hätte er der Beweglichkeit des Festes das 
Wort geredet; aber er scheint der Ma 
thematik nach seinem ganzen Wesen ziem 
lich entfremdet gewesen zu seyn), und 
die Firirung (wodurch der Mond auf 
einmal seine ganze Bedeutung für die 
christliche Zeitrechnung verlieren würde, 
der doch von Gott selbst, nebst der Sonne, 
dazu gesetzt ist, zu geben Zeichen, 
Zeiten, Tage und Jahre) kann 
gleichsam als ein Antasten heiliger In 
teressen angesehen werden, und diese sind 
bei tieferen Gemüthern allemal mit ewi 
gen Interessen verbunden, daher die 
Frage sich nicht von der Hand weisen 
läßt: Wie wird das alles in künfti 
gen Jahrtausenden gehalten wer 
den ? Und was haben wir zu thun, um 
eine einfache und sichere Regel zur 
Aufrechthaltung der jetzt bestehenden Ord 
nung wo möglich für die Ewigkeit 
festzustellen? 
Unter der mittleren Bewegung 
pflegt man denjenigen Dogen des Um 
fanges der Himmelskugel zu verstehe», 
um welchen ein Weltkörper, von der 
Sonne oder Erde aus betrachtet, in ei 
ner Zeit-Einheit (zu welcher die 
Astronomen gewöhnlich den Zeitraum von 
365'/,, Tagen wählen) zwischen den Fix 
sternen fortzurücken scheinen würde, 
wenn alle Ungleichheiten seines scheinba 
ren Laufs ausgeglichen wären. Indem 
nun unsere Erde mit dem Monde zugleich 
von der Sonne angezogen wird, und 
zwar zur Zeit des Neumondes der Mond 
stärker als die Erde, weil er der Sonne 
etwas näher ist, zur Zeit des Vollmon 
des aber die Erde stärker als der Mond, 
weil sie der Sonne etwas näher ist, und 
ein ähnlicher Unterschied der Stärke der 
Anziehung (wiewohl in vermindertem 
Maße) auch an den vom Neu- und Voll 
mond verschiedenen Tagen des synodi- 
schen Monats stattfindet, so sieht man, 
daß die Sonne die Kraft, mit welcher 
der Mond von der Erde angezogen wird, 
unabläßig vermindert, daß sie ihn 
also zwingt, auf seinen Umlauf um die 
Erde eine längere Zeit zu verwenden, 
als er brauchen würde, wenn er in der 
jenigen mittleren Entfernung von der 
Erde, welche ihm nun einmal von der 
ersten Schöpfung an angewiesen ist, der 
Anziehungskraft der Erde al 
lein gehorchte. Die mittlere Bewegung 
des Mondes um die Erde wird alsodurch 
die Störung von Seiten der Sonne ver 
mindert, und zwar desto mehr, je 
näher die Erde der Sonne ist, 
weil der Ueberschuß der Entfernung der 
Erde von der Sonne über die Entfer 
nung des Mondes von der Sonne zur 
Zeit des Neumondes, oder auch der Ue 
berschuß der Entfernung des Mondes von 
der Sonne über die Entfernung der Erde 
von der Sonne zur Zeit des Vollmon 
des, einen desto größeren Theil der Ent 
fernung der Erde von der Sonne aus 
macht, je näher die Erde der Sonne ist. 
!Folglich werden die zwölf synodischen Um 
läufe vom Monde während eines Jahrs 
in verschiedenen Zeiten zurückgelegt; 
derjenige Umlauf, welcher zur Zeit der 
kleinsten Entfernung der Erde von der 
Sonne zurückgelegt wird, dauert a m 
längsten, und derjenige, welcher zur 
Zeit der größten Entfernung der Erde
	        
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