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Sternwarte -
seHung erfordern. So wird Pulkowa,
auch bei dem größten Eifer seiner Astro
nomen, dennoch genöthigt seyn, viele
Hauptaufgaben der Astronomie andern,
weit minder gut ausgerüsteten Warten zu
überlassen; und wenn irgend einmal an
einem zwischen 30" und 45", höchstens
50" der Breite eine Warte mit gleicher
Munificenz errichtet werden sollte, so
wird Pulkowa aufhören, die erste zu seyn.
Was hätte nicht z. B. ein Wisniewsky,
der in Neu-Tscherkask mit einem 3'/2fü-
ßigcn Fernrohr, zum Erstaunen von ganz
Europa, den Kometen von 1811 in 90
Mill. Meilen Entfernung wiederfand, un
ter diesem herrlichen Klima mit Pulko-
wa's Instrumente geleistet! Indeß wol
len wir billig anerkennen, daß andere
wichtige Gründe vorlagen, die Sternwarte
der Akademie in der Nähe der Aka
demie selbst, nicht Tausende von Wersten
entfernt zu legen. Wo so Vieles gesche
hen , so große Opfer gebracht sind, da
geziemt sich dankbare Anerkennung und
Bewunderung. Was auch in der Zu
kunft an anderen Orten Großes gegrün
det werden möge, der Ruhm wird Pul
kowa bleiben, das erste thatsächliche Bei
spiel einer Sternwarte, welche allen, auch
den strengsten Anforderungen der neue
ren Astronomie vollkommen entspricht,
dargeboten zu haben. Stets wird sic
die Mnstersternwarte bleiben, denn noch
nie ist Alles nach Einem festen Prinzip
so durchgeführt worden, als hier. Nichts
ist überflüssiges Nebenwerk, nichts dient
der bloßen Zierde, sondern alles einem
gemeinsamen großen Zweck in höchster
Vollendung. Noch haben die Arbeiten
der Astronomen, wie der Bericht des Mi
nisters der Volksanfklärung es ausdrückt,
die Mauern der Sternwarte nicht über
schritten. Wichtige Vorarbeiten nahmen
die Zeit bisher noch größtentheils in An
spruch , und nur wenige Proben sind
theils in den „Astronomischen Nachrich
ten ,“ theils in den Memoiren der Pe
tersburger Akademie mitgetheilt. Eine
der ersten Veröffentlichungen wird dem
nächst eine detaellirte Beschreibung und
Zeichnung aller Instrumente seyn, an
welcher jetzt ein geschickter Künstler ar
beitet, und nach welcher ein Sachverstän
diger sie vollständig nachbilden kann. Nur
Deutsche Künstler find es ansschließ-
ii.
— Sternzeit.
lich, von denen die hiesigen Instrumente
herrühren; nur Deutsche Astronomen,
dem Gebnrtslande oder der Abstammung
nach, arbeiten in Pulkowa ; * aber Ruß
lands Monarch ist es, der dies alles ins
Leben gerufen hat und fortwährend auf
das freigebigste erhält. Wir schließen mit
den Worten des Ministers v. Uwarow,
der während der Anwesenheit des Refe
renten die Sternwarte besuchte, und an
die Versammelten, worunter mehrere Aus
länder, die Frage richtete: „Nicht wahr,
meine Herren, für ein Barbarenland ist
das gar nicht übel?" —
Auf diese Schilderung des neuen „Ob
servatoriums" zu Pulkowa aber kann
ich mich, bevorwortetermaßen, hier um
so mehr beschränken, als dasselbe, wie ge
sagt , dasjenige ist, welches den meisten
Luxus der Einrichtung entwickelt. Ich
verwahre mich jedoch, das darüber Ge
sagte unter einem andern Gesichtspuncte,
als dem einer bloßen Skizze betrachtet
wissen zu wollen; eine in das Einzelne
eingehende, wirklich technische Beschrei
bung dieser großartigen Anlage haben
wir, wie ich erfahre, vielmehr erst in ei
niger Zeit von dem jetzigen würdigen
Director derselben, Geheimen Rath Stru-
v e Excellenz, zu erwarten » und darauf
verweise ich denn Leser, welche ein Recht
besitzen, mehr, als mein Werk in seinen
Grenzen hat geben können, zu verlangen,
und beschließe mit dieser Andeutung den
gegenwärtigen Artikel über „Stern
warten."
Sternzeit , Zeit der ersten Bewe
gung;"" Tempus primi mobilis; Temps
sideral (ou mesuré par la révolution
des étoiles). Die durch den (scheinba
ren) täglichen Umlauf der Fixsterne, oder
* St r uve, Vater und Sohn, Fuß, Sab
ler, Peters. Noch fungiren hier In
spector R o s e n k r a n z nnd MechnnikuS
Pvhrt; die gesammte Einwohnerschaft
der Sternwarte, mit Einschluß des die
nenden Personals und eines Militair-
kommando'S von 8 Mann, beläuft sich
! auf 70 Personen.
; ** Ich bevvrwvrte, auf den feinen Unter
schied zwischen „Stern zeit« und „Zeit
der ersten Bewegung" gleich unten
- zu kommen.
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