Strahlenbrechungen. 549
A. Dcr Beobachter in A sieht demgemäß
das Gestirn nach der verlängerten Rich
tung AL in N, wiewohl der wahre Ort
desselben (abstrahirt von andern Einflüs
sen, z. B. der Parallaxe u. s. w.) nach
M hinauslicgt. Diese Ablenkungen dcr
Lichtstrahlen von ihrem sonst in der sei-,
ben geradlinigen Richtung fortgehenden
Wege, und insbesondere die Größen der
Winkel IM K rss, FOT, um welche die Ge
stirne F, M, dcr Brechung halber, hö
her erscheinen, führen nun den Namen
der „a st r o n o m i s ch e n S t r a h l e n b r e-
ch ungen."
Daß das Licht beim Uebergange aus
luftleeren Räumen in Luft wirklich gebro
chen werde, ist zuvörderst schon durch
Versuche älterer Physiker mit luftleeren
Gefässen vielfach augenscheinlich darge-
than wordrn: und meine Leser finden das
Detail dieser Versuche z. B. in der noch
immer schätzbaren „Einleitung zur ma
thematischen und physischen Kenntniß der
Erdkugel. Aus dem Holländischen des
Johann Lulof durch (unsern bekann
ten Mathematiker) Kästner." Göttin
gen. 1755. gr. 4. (neuere dergleichen
Versuche sind mir nicht bekannt),. Das
Factum im Allgemeinen wird dort, ab
gesehen von aller astronomischen Beob
achtung, nachgewiesen, wiewohl sich da
bei eine genauere Bestimmung der Art
des Vorganges und das Brechungsver-
hältniß nicht erhalten läßt.
Da nämlich ferner die irdische Atmo
sphäre selbst von K bis A nicht Einerlei
Dichte behält, sondern weiter herabwärts
natürlich immer dichter wird, so müssen
zwischen K und A mehrfache Brechun
gen mit wachsenden Zulenkungen nach
im Mittelpunkte der eingebil
dete» H i m m e l s h o h l k u ge l gedach
ter Beobachter hat rings nm sich her
alle Gestirne im Zenirh (sein Zenit!,
fällt mit diesem Puncte zusammen); der
Lichtstrahl von Gestirnen im Zenit h
geht aber, wie wir nun oben gleich nä
hersehen werden, ungebrochen durch;
für das in den Mittelpnnet der
Erde versetzte Auge gibt es (kei
ne Parallaxe, vergl. d. Art., und)
keine Refraktion. — Wir haben
von diesem Satze öfter, z. B. nur erst
B. II. S. 21, Gebrauch gemacht.
dem Eiufallslothe hin erfolgen; und da
diese Dichte der Luft von oben nach un
ten hin nicht sprungweise, sondern nach
dem Gesetze dcr Stätigkeit a l l m ä l i g
zunimmt, so geschehen solcher Brechun
gen auch unendlich viele, d. h. der Strahl
wird von K bis A an jeder Stelle sei
nes Weges näher gegen KC gelenkt; —
und also bildet der Weg des Strahles
LAeinekrumme, gegen L6 hohle
Linie.'"
DieBrechungsebene MKC wird je
doch bei diesen linearen Richtungs
Aenderungen des Strahlenweges nicht
verlassen, indem man sich die Atmosphäre
von ihrer oberen Grenze an in con
centri sehe Kugelschichten von zuneh
mender Dichte eintheilen muß, dergestalt,
daß alle Einfallslothe durch den Mit
telpunct 6 gehen, und also jedes suc
cessive Element der Strahlen-Curve, und
somit die ganze Curve in der nämli
chen Ebene (MKC) bleibt. Diese
Ebene ist aber eine Scheitels!äche des
Beobachtungsortes A; die Strahlenbre
chung (der Winkel MKN) findet sich also
stets in einem Scheitelkreise des Beob
achters, und ihre Wirkung besteht darin,
das Gestirn in jedem Scheitel-
kreise (also auch im Meridian) etwas
höher über dem Horizonte (dem
Zenith etwas näher, d. h. in ei
nem geringerenZenithabstande)
erscheinen zu lassen, als sonst
geschehen wäre (vergl. wegen der
Die Brechung (vergl. d. A. S. 131)
erfolgt nicht mit Eiuemmale im Einfalls-
punete (an der Grenzscheide beider Mit
tel, hier des Aethers und der Luft), son
dern nach und nach durch eine stetige
Krümmung des Lichtstrahles, welche (vgl.
Newt. Princ. I. prop, 94 ff., besonders
S. 540 u n se re r Ausgabe) schon beider
Annäherung zum dichteren Mittet
anhebe» mag, und beim Fortgange in
demselben fortdauert und zunimmt. Man
kann die Strahlenbrechung als eine wahre
Wirkung der Aktractivn betrachten, wel
che von den Elementen der Atmosphäre
auf die Elemente des Lichtes ausgeübt
Im eben citirten Art. Brechung, S.
126, wird dieser Satz als ErsahrungSsatz
hingestellt.