Full text: L-Z (2. Band)

Vorrücken der Nachtgleichen. 
669 
Ptolemäus erzählt uns in seinem 
schon oben erwähnten „Almagest", daß 
der ebenfalls bereits vorn genannte Grie 
chische Astronom Eudorus, Zeitgcnoß 
Platos, einen der größeren Fix 
sterne sehr nahe beim nördlichen Weltpole, 
also als Polarstern, beobachtet habe. 
Da Plato etwann 350 vor Christus, und 
demnach über 2000 Jahre vor uns ge 
lebt hat, so kann dieß nicht unser ge 
genwärtig er Polarstern « des kleinen 
Bären gewesen seyn, welcher, vergl. P o- 
larstern, S. 334., damals noch weit 
vom Pole entfernt war. Betrachtet man 
den oben erwähnten Kreis, welcher, ver 
möge der Präcession, vom Weltpole um 
den Pol der Ekliptik beschrieben wird, 
etwas genauer, so findet man in dieser 
Himmelsgegend nur einen einzigen Stern, 
der die bezeichnete Größe hat, und der 
in fener Vorzeit etwann nahe genug bei 
unserm (Nord-Welt-) Pole gestanden ha 
ben könnte: es ist dieß H im Drachen, 
dessen gegenwärtige Länge ziemlich 
133° beträgt. Wäre derselbe aber, Eu 
dorus obigen Angaben gemäß, zu sei 
ner Zeit, d. h. also von heut ab vor 
2000 Jahren, in der That Polarstern 
gewesen, so müßte seine damalige 
Lange (wenigstens nahe) 90° * betra 
gen haben; und die Differenz jener ge 
genwärtigen und dieser damaligen 
Länge von (133—90 —) 43° käme auf 
das indeß Statt gefundene „Vorrücken 
der Nachtgleichen". Dieses Vorrücken 
bewirkt aber (vergl. vorn, 1° in 71 
Jahren) eine Längenznnahme von 43° 
nicht schon in den 2000-, sondern erst 
* Denkt »ifl» sich vom Welt pole eine» 
Meridian nach den DnrchschnittSpunctcn 
des AequatorS und der Ekliptik 
(also den Kolur — vergl. d. Art. — 
der Nachtgleiche n), so steht ein zwei 
ter, durch die Po le jener beiden Kreise 
gehender und also zugleich als Brei 
tenkreis zu betrachtender Meridian 
(der „K 0 l n r der Sonnenwende n") 
vom ersteren offenbar 90° ab, und ein 
die Stelle des Weltpols (genau oder doch 
nahe) einnehmender Stern har also. gleich 
dem Weltpvle selbst, die obige Lange 
von 90°, d. h. der zwischen den beide» 
Koluren enthaltene, den Stern treffende 
Bogen der Ekliptik ist von dieser Große. 
in (71.-! 3 — ) 3053 Jahren, so daß 
die chronologische Unrichtigkeit von 
Eudorus Angabe durch diesen astrono 
mischen Bezug auf die Präcession, 
wie ich darthun wollte, nachgewiesen ist; 
— Eudorus wird hierbei nicht sowohl 
seine, sondern vielmehr eine über (3053 
—2000) 1000 Jahre ältere Zeit fr ü- 
hercr Chaldäischer und Egypti- 
scher Astronomen gemeint haben. 
Laplace ferner (ich finde die Anfüh 
rung in meinen Notizen, ohne die Stelle 
in Laplace's Werken selbst gleich näher 
angeben zu können) meint, daß die Be 
zeichnung und Benennung der Sternbil 
der des Thierkreises zu einer Zeit be 
stimmt worden sey, wo das Bild des 
„Steinbocks", welches Thier man doch 
immer nur auf den höchsten Höhen 
erblickt, für unsere Halbkugel auch den 
höchsten Punct der Ekliptik über dem 
Aequator eingenommen gehabt habe. Von 
'diesem Puncte ist dasselbe aber (s. vorn) 
'jetzt (180 + 30 —) 210° östlich 
'entfernt, die auf Rechnung der „P rä- 
cession" kämen, und einem Zeitraume 
von (71.210 — ) 15000 Jahren ent 
sprechen, welche solchergestalt das Alter 
1 jener Bezeichnung abgäben. Auch dieses 
Beispiel lehrt also den schon in der An 
merkung noch mehr hervorgehobenen Dei- 
'stand kennen, welchen die Chronolo 
gie von der Astronomie, und hier 
namentlich von der genauen Kenntniß 
des Maßes des „Vorrückens der 
Nacht gleichen" erwarten darf; und 
ich würde, da es sich in diesem Falle um 
eine ganz neue, von den bisherigen An 
sichten so sehr abweichende Ansicht über 
das Alter der Welt handelt, länger 
dabei verweilen, wenn Laplace's Ver 
muthung durch andere Umstände unter 
stützt würde, und also mehr als eine geist 
reiche Hypothese wäre. 
Endlich werden meine Leser, unter dem 
hier aufgestellten Gesichtspuncte, auch von 
dem „Thier kr eise (vergl. d. A.)^ zu 
Denderah" reden gehört haben. Die 
Ruinen der alten Stadt Tentyris (Den- 
dcrah) in Ober-Egypten nämlich zeichnen 
sich durch einen großen Tempel aus, dem 
die Zeit wenig geschadet hat; und am 
Plafond des Porticus dieses Tempels 
sieht man die 12 Figuren der Sternbil 
der des Thierkreises in derjenigen Ord- 
I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.