Full text: L-Z (2. Band)

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Wirbel. 
scheu Gesichtspuncte hier zurückzukom 
men mehrmals versprochen hatte, durch 
„Wirbel", eine (von ihm poftulirte) 
„große Menge Materie, welche sich um 
einen gemeinschaftlichen Mittelpunct be 
wegt, so daß das Ganze als eine An 
zahl von Kngelschalen betrachtet werden 
kann, die sich um eine gemeinschaftliche 
Are, oder wenigstens einen gemeinschaft 
lichen Mittelpunct drehen. Vollen 
den alle diese (also concentrisele n) 
Schichten ihre Umläufe in gleicher Zeit, 
so ist klar, daß die äußern geschwinder 
gehen muffen, als die innern, und zwar 
in eben dem Verhältnisse, in welchem 
ihr Abstand vom Mittelpuncte oder der 
Are größer ist". 
Descartes, welcher die von mir 
im Art. Weltsystem angeführte Vor 
stellung der Alten von einer Einschlie 
ßung der Gestirne, Sphären, die sich 
mit ihnen drehen sollten, nicht mehr an 
nehmen konnte, und das Bedürfniß em 
pfand, die Ursache und Entstcdungsart 
der himmlischen Bewegungen durch ir 
gend eine andere Annahme begreiflich zu 
machen, verfiel darauf, zunächst die Son 
ne mit einem solchen Wirbel verschiede 
ner Schichten einer sehr fein getheilten, 
flüßigen Materie von ungleicher Dichtig 
keit zu umringen, welcher Wirbel die 
Planeten so mit sich fortrisse, wie etwanu 
der Wind die in der Luft schwebenden 
Körper dahin führt. Die verschiedenen 
Schichten des großen Sonnenwirbels be 
wegen sich nach diesem «Systeme mit un 
gleichen Geschwindigkeiten, aber nach Ei 
nerlei Richtung, und führen die in ih 
nen gleichsam schwimmend gedachten 
Planeten zwar demgemäß alle auch nach 
Einerlei Richtung (rechtläufig, s. d. 
AZ, aber die näheren in kürzerer, die 
entfernteren in längerer Zeit, um die 
Sonne"; und jeder Planet „schwimm t" 
zugleich in derjenigen Schicht des Wir 
bels , welche mit ihm selbst gleiche Dich 
tigkeit hat. Die von Monden umlau 
fenen Planeten werden dabei als erst im 
Mittelpuncte eigener kleinerer „Wir 
bel" stehend angenommen, welche so- 
* Man sieht daraus, daß CartesiuS 
wenigstens guter C o p e r n i c a n e r war, 
wie ich ihn im Artikel Weltsystem, 
mit Verweisung hierher, auch auszeichne. 
dann wieder im größeren schwimmen, 
und die Monde um den Planeten 
nach eben dem Gesetze herumfuhren, nach 
welchem sich dieser letztere mit seinem 
Wirbel von jenem Hauptwirbel um 
die Sonne getrieben findet. 
Auf den ersten Blick scheint Nichts ein 
facher, verständlicher und genngthuender, 
als dieses System; und noch Niemand 
hatte vorher eine so begreifliche Ursache 
der himmlischen Bewegungen, und auf 
welche der Umstand der Richtung des 
Laufes aller Planeten und Monde 
nach derselben (der direkten) Richtung 
fast unmittelbar hinzuweisen schien, an 
zugeben gewußt. Daher ist es nicht zu 
verwundern, daß diese Hypothese mit 
so ausgebreitetem Beifallc aufgenommen 
worden ist, sich so lange erhalten hat, 
und von ihren Anhängern sogar gegen 
N e w t o n's vortreffliche Gravitations- 
lehre hartnäckig vertheidiget worden ist. 
Indeß ist es der neueren Astronomie doch 
leicht geworden, ihre gänzliche Unhalt 
barkeit selbst durch den Augenschein der 
Beobachtung darzuthun: denn da sie ihr 
Haupt-Argument, wie gesagt, aus der 
E i n e r 1 e i h e i t der Richtung der 
von ihr als u n a u s n a m e n tl i ch „r e ch t- 
läufig" geforderten Himmelsbewe 
gungen hernimmt, später aber die, dem 
Urheber des Systems noch unbekannt ge 
wesene „Recht"- und Rückläufigkeit 
der Kometen (vergl. d. A. namentlich 
S. 965) sichtbarlich nachgewiesen wurde: 
so war sie durch diese einzige Einwen 
dung, auf welche ihr auch gar keine Ant 
wort bleibt, vollkommen widerlegt. 
Gleichwohl habe ich ihr, bevorworte- 
termaßen, eine wenigstens kurze Erwäh 
nung nicht versagen zu dürfen geglaubte 
Die Geschichte einer Wissenschaft, und 
namentlich der Astronomie, ist, wie ich 
öfters hervorgehoben habe, allermeistens 
die Geschichte der Irrthümer und ver 
fehlten Versuche, durch welche sich die 
Forschung erst endlich zur Wahrheit 
hindurch gearbeitet hat; und um den 
ganzen Werth der letzteren richtig zu 
schätzen, darf man also die Mühe nicht 
scheuen, auch jenen Verirrungen und den 
Schwierigkeiten, sich von ihnen loszuma 
chen, einen Blick zu schenken. 
Solchen Lesern aber, welche sich in 
dieser Absicht mit meiner kurzen Dar-
	        
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