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nicht ins Laboratorium zu bannen vermöchte. Dies
ist nun aber doch gelungen, und es hat sich dabei
herausgestellt, dafs das Geheimnis kein allzu tiefes
war. Es besteht nämlich nur in derZeit. Die Natur
kann sich mehr Zeit nehmen, als der Mensch in
seinem kurzen Dasein und gelangt so zu Präparaten,
welche von den gewöhnlichen Laboratoriumspräparaten
verschieden sind.
Sehen wir genauer zu, worin die Verschiedenheit
in unserem Fall besteht, so zeigt sich, dafs unsere
Fällungen aus wässerigen Lösungen meist amorph
sind, die entsprechenden Minerale dagegen kristalli
siert. Es gibt nun einen allgemeinen Satz, welcher
besagt, dafs amorphe Stoffe unbeständiger sind als
kristallisierte. Unbeständig will hier sagen, dafs die
Umwandlung des amorphen Körpers in seine kristalli
sierte Form freiwillig und zwar eigentlich mit Not
wendigkeit erfolgt, wenn der Kristall in Berührung
mit amorpher Substanz gleicher Zusammensetzung
sich befindet. Die Bedingung dieses Satzes besteht
darin, dafs die kristallisierte Form in Wasser (über
haupt in Lösungsmitteln) unlöslicher ist als die amorphe.
Haben wir also eine an dem amorphen Stoff ge
sättigte Lösung, so wird dieselbe übersättigt sein
in Bezug auf die kristallisierte Form. Diese wird
sich demnach ausscheiden müssen, sobald die Über
sättigung aufgehoben wird, was im allgemeinen frei
willig geschieht, wenn die Übersättigung einen ge-