Allein es täuscht sich niemand darüber, dafs der
modus operandi, der zu diesen Synthesen gedient hat,
wesentlich verschieden ist von dem, den die Orga
nismen anwenden, und dafs ein wesentlicher Teil des
organischen Fabrikgeheimnisses noch nicht enthüllt
ist. So sieht man denn heute eine neue Front von
Problemen sich entwickeln. An die Stelle der Auf
gabe, welche die Chemie des 19. Jahrhunderts be
herrscht hat, und die darin gipfelte, die organischen
Stoffe überhaupt herzustellen, tritt jetzt die andere
Aufgabe, sie s o zu fabrizieren, wie der Organismus es
selbst tut.
Es ist nicht zu bezweifeln, dafs auch dieses ferne
Ziel gewonnen wird. Die physiologische Chemie wird
darin ihren wahren x4bschlufs finden. Man wird dann
statt der Andeutungen, die ich Ihnen in den beiden
vorangegangenen Vorlesungen darlegte, exakte Aus
sagen machen können.
Was uns heute noch hervorzuheben übrig bleibt
das ist, dafs damit allein das »Leben« chemisch noch
ebenso unerklärt und unverstanden wäre, wie es uns
augenblicklich ist. Denn wenn wir auch verstanden
haben, wie im Organismus Eiweifsstoffe, darnach wie
Glykoproteide, Nucleoproteide, Lecithalbumine, En
zyme, Toxine, Antitoxine, Praecipitine u. s. f. aus ein
fachen Stoffen entstehen, und wie sie wieder in diese
zerfallen, so haben wir doch noch nichts verstanden
von den eigentümlichen Eigenschaften der lebendigen