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schieden, und man will gefunden haben, dass eine starke elek
trische Spannung in der Luft, d. i. eine Anhäufung von freier,
positiver Elektricität darin, wie dies vor Gewittern Statt findet,
in der geistigen Gährung befindliche Flüssigkeiten zur Säuerung,
zum Uebergang in die Essiggährung disponire. Die Luft scheint
im stark positiv elektrischen Zustand erregten Sauerstoff (ozo-
nirtes Sauerstoffgas) zu enthalten, in welchem dasselbe beson
ders geneigt ist, neue Verbindungen einzugehen.
Nur reine Luft ist den zymotechnischen Operationen und
Processen zuträglich. Ist dieselbe dumpfig, enthält sie faulige
Ausdünstungen, so ziehen besonders gährende Flüssigkeiten da
von an; sie erhalten dadurch einen fauligen oder modrigen Ge
ruch und Geschmack; sie schimmeln leicht und gehen ihrem
Verderbniss entgegen. Daher soll vorzüglich die in den Gähr-
localitäten und Lagerkellern befindliche Luft rein sein und durch
fleissiges Lüften dieser Localitäten — wenn dies, ohne ihre Tem
peratur nachtheilig zu erhöhen, möglich ist, rein erhalten werden.
Wegen ihrer Schwere übt die atmosphärische Luft einen
Druck auf die Erde und auf die auf ihr befindlichen Körper
aus. Dieser Luftdruck ist nach verschiedenen Umständen verän
derlich und wird gemessen mittelst des Barometers. Ueber
den Einfluss des Luftdruckes auf die zymotechnischen Processc
wurden bis jetzt noch keine Beobachtungen gemacht.
Stagnirende Luft ist ein schlechter Wärmeleiter; im be
wegten Zustande (als Wind) leitet sie die Wärme gut und
wirkt daher in diesem sehr austrocknend und dadurch auch er
kältend. Deshalb befördert Luftwechsel über den Kühlschiffen
die Abkühlung der Bierwürzen.
Die chemische Wirksamkeit der atmosphärischen Luft bei
den zymotechnischen Processen beruht vorzüglich auf ihrem Sauer
stoffgehalte; der in ihr enthaltene Stickstoff verhält sich hier
bei ganz indifferent. Durch den Gehalt an Sauerstoffgas wird
die atmosphärische Luft zur Unterhaltung der Verbrennung,
des Athmens, des organischen Lebens tauglich. Nur in Berüh
rung mit Sauerstoffgos (atmosphärischer Luft) keimen die Samen;
nur nach vorhergegangener Berührung mit atmosphärischer Luft
(Sauerstoffgas) kommen die Fruchtsäfte in Selbstgährung, und
nur in Berührung mit dieser gehen gegohrene alkoholhaltige
Flüssigkeiten in Essig über.