Full text: Die Bierbrauerei wissenschaftlich begründet und praktisch dargestellt (1. Band)

Diese Erfahrung hat, zur Anwendung des rohen mit ge 
keimtem oder des blos gekeimten Getreides zur Bier- und 
Branntweinerzeugung geführt. Da wir die rohen Getreidearten 
in zymotechnischer Beziehung bereits kennen gelernt haben, so 
haben wir uns noch mit der Betrachtung der Bedingungen zu 
befassen, unter welchen das gekeimte Getreide dargestellt wird. 
Man nennt es im Allgemeinen Malz, im frisch gekeimten, noch 
feuchten Zustande Grünmalz, im lufttrockenen Zustande Luft 
malz, im künstlich getrockneten und gedarrten Zustande Darr 
malz. Im engern und gewöhnlichem Sinne versteht man aber 
unter Malz immer nur das Gerstenmalz. Die Erzeugung des 
Malzes nennt man das Malzen, den Vorgang dabei den Mal- 
zungsprocess. 
Zur Malzbereitung muss man die Getreidesamen keimen 
lassen. Das Keimen der Samen ist ein organischer Process, 
durch welchen die Lebensthätigkeit derselben erweckt, bis zu 
einem gewissen erforderlichen Grade gesteigert, dann aber wie 
der schnell unterbrochen wird, sobald man dadurch jene Verän 
derungen in dem Samenkorn erzielt hat, welche man dabei zu 
erreichen sucht. Die Absicht dabei besteht vorzüglich darin, die 
zuckerbildende Kraft des Mucins zu steigern, und es in das 
weit kräftiger zuckerbildend auf das Stärkmehl wirkende Diastas 
umzuwandeln. Nebenbei, nicht absichtlich, wird immer ein klei 
ner Theil des vorhandenen Stärkmehls in Dextringummi und in 
Dextrinzucker verwandelt — daher schmeckt der gekeimte Same 
süsser als der rohe —; das mehlige Korn des Samens selbst 
wird aufgelockert, das Stärkmehl dabei mehr blossgelegt, aus 
seinem innigen Zusammenhänge mit dem Kleber gebracht, und darin 
mag wohl der Umstand begründet sein, dass sich das ausgeschie 
dene Stärkmehl der gekeimten Getreidearten leichter und schnel 
ler in Gummi und Zucker umwandeln lässt, als das der rohen. 
Es ist nach dem bereits Angeführten nicht nothwendig, alle 
zur Bier- und Branntwein-Erzeugung verwendete Getreidearten 
zu malzen, weil rohes Getreide mit gemalztem gemengt sich 
schon sehr gut einmaischen lässt, so dass aus diesen Mai 
schen Branntwein erzeugt oder nach erfolgtem Abziehen der kla 
ren Würze von den Trebern aus derselben weiter Bier gebraut 
werden kann, wie dies in Belgien allgemein geschieht, während 
bei uns blos aus gemalztem Getreide Bier erzeugt wird.
	        
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