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Der Umstand, daß der gemeine und Krümelzucker ein ihrer
zersetzten Menge proportionales Quantum Hefe zur Alkohol
bildung erfordern, dann daß bei der Gährung solcher Flüssig
keiten, aus welchen sich während des Gährungsverlaufes neue
Hefe abscheidet, deren Menge mit der des gebildeten Alkohols
und jener des zersetzten Zuckers in Proportion steht — in dem
Maße nämlich, als der Zucker zersetzt wird, fällt das Ferment
aus der gährenden Würze, welches nur durch den Zucker in
der Auflösung erhalten war, heraus —, was mit der Erfah
rung vollkommen im Einklänge ist, würde auf eine constante
stöchiometrische Beziehung hindeuten und ebenfalls für Meiß-
ner's Gährungstheorie sprechen.
Trommsdorff *) sagt über diesen Proceß: Alle orga
nische Körper sind weniger beständig und mehr der Veränderung
unterworfen als die unorganischen. Fast alle organische Körper
sind Zusammensetzungen von drei, vier oder mehr Elementen,
die in der Verbindung einander das Gleichgewicht halten; aber
verschiedene Umstände bewirken eine Störung dieses Gleichge
wichtes, die Verwandschaften der Elemente zu einander werden
thätig und die zusammengesetzter« Verbindungen lösen sich in
mehre einfache auf; endlich erfolgt eine mehr oder weniger
vollkommene Zersetzung des Körpers.
Nach Fourcroy soll bloß die Heterogenität des zuge
setzten Körpers unter günstigen Umständen eine solche Störung
des Gleichgewichtes bewirken und die geistige Gährung einleiten.
Substanzen, die sehr geneigt seien, für sich in Gährung zu
gehen, seien sehr geeignet, die Gährung anderer süßer Flüssig
keiten zu befördern. Man bediene sich daher als Gährungs-
mittel gewöhnlich solcher Materien, die schon in Gährung be
griffen sind, der Hefe, des sogenannten Gäschtes.
Diese im Jahre 1802 ausgesprochene Ansicht vom Gähr-
proceffe läßt uns zwar über die eigentliche dabei wirksame, die
Gährung erregende Kraft im Dunkeln, allein man wird dabei
unwillkührlich an den Galvanismus, an die Katalyse und an
die Ansteckung erinnert, indem schon damals Trommsdorff
etwas Ähnliches im Geiste vorgeschwebt zu haben scheint, und
es wurde diese Theorie, welche mehre Erscheinungen beim Gähr-
processe ganz unerörtert läßt, nur deßhalb hier aufgeführt,
') Dessen „System. Handbuch der Chemie", 3. Band, S. 229. (Erfurt 1802).