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sauer wird; allein die dießfalls gemachten Beobachtungen sind
nicht sehr zahlreich.
Ad 3) Schon Erxleb en *) (1818) hält die Gährung
zum Theil für einen Vegetationsproceß. In der neueren
Zeit wurde diese Ansicht durch C a g ni ard - L a t o u r und
Schwann, Kützing, Quevenne, Mitscherlich und Mul-
der mehr ausgebildet und durch mikroskopische Beobachtungen
der Hefe unterstützt. Man hat diese Ansicht auch in's Lächer
liche zu ziehen gesucht. Ist die Hefe wirklich eine Pflanze, so
steht dieser Erklärungsweise nicht die Fortpflanzung derselben,
sondern bloß die Selbstgährung entgegen, durch welche die
Hefe in einer gährbaren Flüssigkeit ohne Samen entsteht.
In der Natur gehen indessen viele Processe vor, die wir
noch nicht zu erfassen vermochten, und da wir uns über die
Entstehung der ersten Pflanzen keine naturwissenschaftliche Re
chenschaft zu geben vermögen, sie aber doch entstanden sind und
sich fortgepflanzt haben, so darf uns die Entstehung der Hefe,
als Pflanze betrachtet, nicht so sehr in Erstaunen setzen, als die
Natur gerade in den natürlich gährbaren Flüssigkeiten alle Um
stände vereinigt haben kann, welche einer solchen Bildung gün
stig sind. Ist uns doch die Entstehung und das Wachsthum
der Schwämme überhaupt noch sehr dunkel, die Hefe aber ge
rade ihrer Natur nach dieser Art von Vegetabilien beizuzählen!
Die Gährung der reinen Zuckerarten, wobei keine neue
Hefe gebildet, sondern vielmehr Hefe consumirt oder zersetzt wird,
ist jedenfalls verschieden von der Gährung solcher süßer Flüssig
keiten, in denen sich während der Gährung neue Hefe erzeugt.
Cagniard-Latour und Schwann haben in diesem An
betrachte sowohl die Hefe als gährende Flüssigkeiten mehrfachen
mikroskopischen Untersuchungen unterzogen, woraus hervorzu
gehen scheint, daß die Hefe eine Pflanze auf der niedersten
Stufe der Organisation, ein Pilz ist, welchen Di*. Schwann
in Berlin Zuckerpilz nennt, und der in eine zuckerhaltige gähr-
bare Flüssigkeit gebracht, die ihm gewissermaßen zum Standorte,
zur Basis dient, sich bedeutend vermehrt, regenerirt, und durch
diese Vegetation in der Flüssigkeit, aus welcher er die zu seiner
Bildung nöthigen Stoffe aufnimmt, das Zerfallen des in der
selben gelösten Zuckers in Alkohol und Kohlensäure bedingt.
') Dessen „Güte und Stärke des Biers", S. 69 (Prag.)