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Vorstehende Untersuchungen wurden im Laboratorium zu
Gießen im Winter 1843/44 in Aufforderung Liebig's vorge
nommen. Mulder gelang auf verschiedenem Wege fast gleich
zeitig zu ähnlichen Resultaten in Bezug auf die Constitution
der Bierhefe; er überzeugte sich ebenfalls von der Zellennatur
der Hefenkügelchen. Die zwischen beiden Untersuchungen statt
findenden Differenzen in Bezug auf die Zusammensetzung der
Proteinkörpers erklären sich aus seiner ganz verschiedenen Dar
stellung. Mulder zog ihn nämlich mit Essigsäure aus und
fällte mit kohlensaurem Ammoniak.
Den Vorgang der Umsetzung der Hefe bei der Gährung
erklärt Mulder durch endosmotische Durchdringung der Pro
teinsubstanz aus der Zellenmembran, welche erstere sich durch
ihren hohen Grad von Zersetzbarkeit auszeichne.
Hierzu bemerkt Liebig: „Die Übereinstimmung der Resul
tate beider ganz unabhängig von einander aufgefaßter Unter-
Untersuchungen (von Mulder und Schloßberger) ist um
so erfreulicher, da hiermit die Natur der Hefe festgestellt zu
sein scheint."
Die beiden Gährungstheorien, nämlich jene Liebig's,
welcher die Hefe als eine in fortwährender Umsetzung ihrer
Molecnle befindliche Substanz bezeichnet und deren gährungs-
erregende Kraft der Ansteckung zuschreibt, wornach die Bewegung
der Molecnle der Hefe auf andere, damit in unmittelbarer Be
rührung befindliche, leicht zersetzbare Körper fortgepflanzt wird,
dann die mehrer anderer Chemiker, welche die Hefe für eine
Pflanze, den Hefenbildungs- oder Gährproceß daher für einen
Vegetationsproceß halten, stehen einander nun gewissermaßen
entgegen. Man weiß aber, daß die Entstehung und Entwicke
lung von mikroskopischen Pflanzen und Thieren jeden Zersetzungs
proceß'organischer Materie auffallend beschleunigen und modi-
ficiren können, ohne deßhalb nothwendig als erste Ursache dieses
Processes zu wirken oder Veranlassung desselben zu sein.
Wenn, wie besonders Chemiker hervorheben, von allem
materiellen Leben fortdauernde Assimilation und Secretion, un
aufhörliche Zerstörung und Reproduction vielleicht die allge
meinste Grundeigenschaft, der eigentliche Charakterzug ist; wenn
in der Respiration eine durchaus allgemeine und in jedem Au
genblicke unentbehrliche Quelle nie unterbrochener Stoffumsetzung
liegt, und wenn endlich gerade die lebensfrischesten Organe und