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Liebig dagegen vergleicht die Nahrhaftigkeit des Biers
nach jenem Resultate mit jener des Brotes, und nimmt dabei
an, daß der ganze Klebergehalt des Brotes verdaut werde, was
sehr zu bezweifeln ist. Der Kleber der Getreidearten besteht
nämlich aus drei von einander trennbaren Gebilden, aus Pflan-
zenfibrin, Pflanzenleim und Mucin. Das erstere macht
den Hauptbestandtheil desselben aus. Es lösen sich aber nur
die letzteren zwei bei dem Meischprocesse in der Würze auf, das
Fibrin nicht, wovon man sich durch einen Versuch leicht
überzeugen kann, wenn man Weiß- oder Schwarzbrot, Weizen
oder Roggenmehl in einem lauwarm bereiteten filtrirten Malz-
infusum steigend bis 60" R. erhitzt. Das Fibrin bleibt dabei
ungelöset zurück, wie bereits von mir Bd. I. S. 268 angezeigt wor
den ist. Nun aber dürfte man annehmen können, daß vorzüglich
nur der auflösliche und aufgelösete Theil der Nahrungsmittel
assimilirt, der unauflösliche und ungelösete Theil derselben da
gegen in den Excrementen ausgesondert werde. Wenn, wie
wahrscheinlich, das Brot sich bei dem Verdauungsprocesse ebenso
verhält wie in dem Malzinfusum, und wenn dabei nur etwa
Vü seines Klebergehaltes zur Assimilation gelangt, so würde sich
das Brot-Equivalent für obiges Bierquantum schon auf 25 U t
und wenn nur davon assimilirt würde, auf 50 U stellen,
was vielfach größere Zahlen sind. Im Biere ist dagegen der
Kleber im aufgelöseten Zustande enthalten, und darnach anzu
nehmen, daß er vollständig assimilirbar sei. Wenn man jedoch
Ansichren wieder Ansichten entgegengesetzt, so gelangt man da
durch zwar zur besseren Anschauung, es wird aber damit Nichts
bewiesen. Es gibt jedoch noch andere Gründe, welche für
einen größern Gehalt des Biers au Kleber sprechen. Die vor
stehenden Angaben beziehen sich nämlich vorzüglich auf die lange
abgelagerten und deßhalb gut vergohrenen bairischen Biere.
Nun aber gibt es minder gut vergohrene Biere, von welchen
die tägliche Erfahrung zeigt, daß sie sehr sättigen, den Apetit
vermindern, den Magen übermäßig anfüllen, und dadurch zur
Trägheit disponiren. Wegen ihres geringeren Vergährungs-
grades wurde bei ihrer Gährnng weniger Hefe ausgeschieden,
es bleibt mehr Kleber in dem Biere zurück. Ein solches Bier
könnte z. B. bei gleich starkem Genüße in einem Jahre eben
so nähren wie 100 Ss oder 150 Brot. — Je besser ein Bier
vergohren ist, desto mehr Kleber wird dabei aus demselben in