Gauss au Olbers. Braunschweig, 1802 Oktober 26.
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No. 44. Gauss an Olbers. [21
Braunschweig, 1802 Oktober 26.
Wie innig das warme, freundschaftliche Interesse, das Sie an der
Möglichkeit einer Veränderung meiner Lage nehmen, mich gerührt hat,
kann ich Ihnen nicht beschreiben. Jetzt fühle ich erst recht, wie
doppelt schmerzhaft mir eine lebenslängliche Trennung von Deutsch
land werden würde. Ich eile, Ihnen anzuzeigen:
1. dass ich nicht angestanden habe, den Ruf unter den angebotenen
Bedingungen nicht anzunehmen,
2. dass ich es ganz Ihrer Einsicht und Freundschaft überlasse,
welchen Gebrauch Sie von der Nachricht des Rufes machen wollen.
Das einzige, was ich jetzt nur zu bedenken habe, wäre, dass meine
abschlägige Antwort nicht öffentlich bekannt würde, welches die
Akademie gewiss nicht gern sehen würde — zumal, da gewisser-
maassen die Unterhandlung noch nicht geendigt ist.
Ich halte es nämlich nicht für unwahrscheinlich, dass die Akademie
den Antrag mit verbesserten Bedingungen erneuern werde. Was mich
u. A. zu dieser Vermuthung veranlasst, ist, dass ich weiss (aber nicht
durch v. Zach), dass die Akademie schon vor etwa einem Jahre dem
Herrn v. Zach auf getragen hatte, ihr einen Astronomen zuzuweisen,
und dass dieser den Antrag mit etwas besseren Bedingungen, als die
mir vorläufig gemacht sind, dem Professor Stahl in Jena getlian hatte,
welcher ihn aber ablehnte.
Meine letzte Entscheidung wäre also zum wenigsten noch um ein
paar Monate verschoben. So leicht mein Entschluss mir diesmal
geworden ist, so schwer würde er mir werden, wenn die Akademie
mir Bedingungen darböte, bei denen ich wirklich zu meiner Zufrieden
heit zu existiren hoffen könnte. So stark die Gründe contra sind,
unter denen gerade persönliche Beziehungen recht sehr in Betracht
kommen, so legt doch tlieils das Prekäre, was gewissermaassen bei meiner
gegenwärtigen Lage ist, und die wenige Aussicht, überhaupt in Deutsch
land meinen Wünschen gemäss versorgt zu werden, ein schweres Gegen
gewicht in die Schale.
Gegen das Dociren habe ich einmal eine wahre Abneigung; das
perennirende Geschäft eines Professors der Mathematik ist doch im
Grunde nur, das ABC seiner Wissenschaft zu lehren; aus den wenigen
Schülern, die einen Schritt weiter gehen, und gewöhnlich, um in der
Metapher zu bleiben, beim Zusammenlesen bleiben, werden die meisten
nur Halbwisser; denn die selteneren Anlagen wollen sich nicht durch
Vorlesungen bilden lassen, sondern bilden sich selbst. Und mit diesen