Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

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Gauss an Olbers. Braunschweig, 1802 December 3. 
Observatorium noch nicht vollendet ist, geiade erwünscht sein, da ich 
dann in der Zwischenzeit mich erst recht zum praktischen Astronomen 
vorbereiten könnte. Sehr beunruhigend ist in dieser Hinsicht für mich 
die Ungewissheit, in der ich bin, wie v. Zach darüber denkt, und ob es 
ganz nach seinem Herzen sein würde, die Stelle durch mich besetzt zu 
wissen, da mir sein Beistand dabei so sehr unentbehrlich sein würde. 
Von meiner grossen Neigung zu praktischen Beschäftigungen ist er 
schon seit lange unterrichtet. Sogleich nach der Verbesserung meiner 
äusseren Lage durch unseren Herzog ersuchte ich Heim v. Zach, mir 
zur Erlangung eines Sextanten von bester Güte behilflich zu sein, ich 
fände ungemein viel Gefallen am Beobachten und hätte den V unsch, 
einen Sextanten zu besitzen, schon lange gehegt, hoffte auch, mich in 
der Folge mit mehreren Instrumenten versehen zu können; zugleich 
meldete ich ihm, dass mein Gesicht gut, obwohl sehr myopisch sei. 
In seiner Antwort auf diesen Brief widerrieth er mir zwar die Praxis, 
theils weil er meinte, dass ich mich mit mehrerem Nutzen mit theore 
tischen Untersuchungen beschäftigen könne, theils weil ‘zumal die 
OBeobb. meinen Augen nachtheilig sein, und sie vielleicht noch kurz 
sichtiger machen könnten, erbot sich aber zugleich auf das gefälligste, 
mir einen Sextanten, Pendeluhr und künstlichen Horizont zu borgen, 
damit ich vorerst ohne die Gefahr einer unnöthigen Ausgabe mich ver 
suchen könne. Was nun jene beiden Gründe betrifft, so habe ich in 
Ansehung des ersteren geglaubt, dass das Beobachten mir zu einer 
sehr angenehmen Abwechslung dienen und mich an theoretischen Arbeiten 
eben nicht hindern würde, weil ich diese viel zu lieb habe; dass es 
selbst für den Theoretiker oft von grosser Wichtigkeit ist, wenn er in 
der Ausübung auch bewandert ist; und endlich, wenn die Rede davon 
ist, ex officio und nicht bloss als Dilettant Praktiker zu sein (woran 
ich freilich damals noch eben nicht dachte), scheint es mir sehr in 
Betracht zu kommen, dass es in ganz Europa vielleicht kaum ein halb 
I lutzend besoldete reine Mathematiker giebt. In Ansehung des zweiten 
Punktes habe ich bisher nicht gefunden, dass meine doch oft sehr 
ileissigen O Beobb. irgend nachtheilige Wirkung auf meine Augen gehabt 
hätten, und ein Astronom auf einer wohlbestellten Sternwarte braucht 
doch die Sonne viel weniger zu beobachten, als ein blosser Sextanten- 
Beobachter. Auch finde ich nicht, dass die Kurzsichtigkeit das Beob 
achten eben erschwerte, ausser etwa, wenn am Himmel mit einem 
Fernrohr etwas Teleskopisches aus freier Hand aufzusuchen ist, und 
auch dagegen würde es wohl mancherlei Hilfsmittel geben. Tn den 
gewöhnlichen Beobb. mit dem Sextanten habe ich mich nun ziemlich 
geübt, und so hoffe ich, dass ich durch Autopsie mich auch in die 
Behandlung anderer Instrumente wohl finden werde.
	        
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