Olbers an Gauss. Bremen, 1804 Februar 29.
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Die übereilte Aeusserung des Herrn v. Zach, als würde nur das
Loth, nicht das Niveau von der Attraktion der Gebirge afficirt, ist allen
hiesigen Lesern, selbst Herrn Gildemeister, gleich aufgefallen. Für die
Nachrichten von dem bisherigen Fortgange dieser merkwürdigen Ver
messung bin ich Ihnen recht sehr verbunden. Dass die Chronometer
leicht ein paar Sekunden fehlen können, glaube ich mit Ihnen, und so
sind freilich die 5 S Unterschied oder Differenzen leicht zu erklären.
Aber so wird es doch immer schwierig bleiben, die Längen-Unterschiede,
wie sich unser Zach zu versprechen scheint, bis auf Decimal-Sekunden
genau zu haben.
Ich weiss nicht, ob man auf einen Umstand bei den Zeit
bestimmungen gehörig Rücksicht genommen hat. In Seeberg wird, wie
ich meine, die Zeit immer durch die Durchgangszeiten der Fixsterne
am Passage - Instrument berichtigt, und man braucht den Durchgang
der Sonne nur zur Bestimmung ihres Orts und des Fehlers ihrer Al,
nicht zur Zeitberichtigung. An den meisten andern Beobachtungsorten
wird man aber die Zeit ans übereinstimmenden Sonnenhöhen ableiten.
In Seeberg liegt also Sternzeit, an den andern Orten wahre Zeit zu
Grunde. Der Erfolg ist nun, dass die aus letzterer abgeleiteten Zeit
bestimmungen von der Seeberger immer an sich um den Fehler der
Sonnentafeln in der Al verschieden sein müssten. Da dieser Fehler
noch auf +12" oder 0,8 S gehen kann, so könnten aus dieser Ursache
unterweilen die Beobb., die an sich vollkommen genau wären, 1,6 S diffe-
riren. Ist auf diesen Fehler der O tafeln bisher Rücksicht genommen
worden? Oder hat man sich verabredet, in Seeberg und an allen andern
Orten die Zeitbestimmungen auf gleiche Weise zu machen?
Dass v. Zach’s chronometrische Bestimmung von Braunschweig um
7,5 S fehlerhaft ist, war mir doch unerwartet. Ich bin sehr geneigt zu
glauben, dass die Länge meines Beobachtungs-Orts auch um 2 8 bis
3 8 vergrössert werden muss. Wenigstens scheinen dies alle neuere
Beobb. von Fixsternbedeckungen zu ergeben.
Der Himmel ist fortdauernd trübe und an astronomische Beobb.
nicht zu denken. Piazzi’s Beob. der Parallaxe von a Lyrae hat mich
sehr interessirt. Ich finde aus seiner Angabe die absolute Parallaxe
= 2,176". — Haben Sie wohl nicht gehört, was unser Freund Zach
von seinem kleinen Stern, den er als sequ. a Lyrae in seinem Katalog
angiebt, sagt, und den Piazzi nicht wiederfinden konnte?
Die Ephemeride für die ^ hat mir Harding mitgetheilt. Die Karte
für den diesjährigen Lauf der (J. ist nicht so gut gestochen, wie die
vorjährigen.
Harding ist bei seinen Karten für den Zodiak der neuen Planeten
ungewiss, ob er auch, da die Dekl. bis 34° gehen wird, eine wirkliche