Gauss an Olbers. Braunschweig, 1806 November 11.
313
No. 150.
Gauss an Olbers.
[71
Braunschweig, 1806 November 11.
Es ist lange, dass ich nicht mit einem Briefe von Ihnen beglückt
bin. Ich bin darüber um so unruhiger, da Sie mir das letzte Mal
schrieben, dass Sie von Ihrer letzten Krankheit noch nicht ganz herge
stellt wären, und hoffe mit Verlangen darauf, von Ihnen zu hören, dass
meine Besorgnisse unbegründet sind. Meinen letzten Brief 1 ) und die
Schrift von Legendre werden Sie durch Horn hoffentlich erhalten haben.
Meine Frau und mein Joseph befinden sich vollkommen, und ich
selbst auch ziemlich wohl. Was ich Ihnen sonst von hier und von mir
schreiben könnte, wissen und schlossen Sie schon aus den öffentlichen
Nachrichten. Wenn das Schicksal von Millionen eine andere Gestalt
annimmt, so ist ohnehin das des Einzelnen weniger bedeutend. Hatte
die Vorsehung einmal die Katastrophe verhängt, so kann man wohl
ihre Schnelligkeit als ein Glück ansehen. Allem Ansehen nach muss
bald wieder irgend ein fester Zustand der Dinge eintreten, wo die vor
dem Waffengeräusche scheu gewordnen Musen wieder freier zu athmen
anfangen werden; dann empfehle ich mich und die Meinigen Ihrer
so oft erprobten Freundschaft. Vielleicht ist dann wieder an einen
Plan zu denken, welchen zu vermitteln Sie sich einst so eifrig bewiesen.
Die äusseren Hindernisse wenigstens, die damals obwalteten und ihn
rückgängig machten, scheinen jetzt auf immer weggeräumt zu sein,
der damals sehr ernsthaft schien, beweist mir, dass jener würdige Mann
möglich sein — wozu Ihre Verwendung gewiss viel beitragen könnte —,
so mancher theuren Freunde zu bleiben, theils meiner Frau wegen
anderen vorziehen.
Sie werden sich wohl nicht wundern, dass die Arbeit an meinem
öfters erwähnten Werke in dieser Zeit nur wenig vorgerückt ist, wo mir
freilich nicht zu jeder Stunde die dazu nöthige Heiterkeit des Geistes
zu Gebote stellt. Ihren Fortgang hat sie aber doch, wenn auch lang
sam, ich habe jetzt 12 Bogen. Die schönen Hoffnungen, die ich Ihnen
in meinem letzten Briefe äusserte, muss ich freilich nun wohl noch auf
eine geraume Zeit aufgeben. Prof. Bartels hat gesucht, seine frühem
l ) Dies ist der jetzt verlorene Brief von 1806 Okt. 7. Sch.
den
und was Sie mir im vorigen Sommer von Ihrer Unterredung mit H[eyne]
und dessen Aeusserungen über einen andern Plan aus Clausthal schrieben,
noch immer die alten Absichten nicht aufgegeben hatte. Sollte es dann
kaufen ü
tat«
dass dieselben auf eine solche Art ausgeführt würden, dass ich genug
von meiner Zeit und meinen Kräften meiner Lieblingswissenschaft er
halten könnte, so würde ich diesen Hafen, theils um mehr in der Nähe