Olbers an Gauss. Bremen, 1806 November 16.
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liebster Freund, verzeihen Sie mir eine Bitte. Sollte Ihnen während
dieser Zeit, und unter den jetzigen Umständen Ihr Gehalt vielleicht
nicht immer regelmässig ausgezahlt werden, oder Sie sonst bei so ver
mehrten Ausgaben Geld bedürfen, so wählen Sie mich zu Ihrem Kreditor.
Meine kleine Kasse steht Ihnen immer zu Befehl, und ich erwarte um
so gewisser, dass Sie alsdann Gebrauch davon machen werden, wenn
Sie es nötliig finden, da ich zuverlässig im umgekehrten Fall auf ein
freundschaftliches Darlehen von Ihnen rechnen würde.
Die Hoffnung, die Sie im vorigen Briefe vom 7. Okt. uns zu einem
Besuche machten, war uns allen sehr, sehr erfreulich. Aber sollen wir
sie denn nun ganz aufgeben? Können Sie nun gar nicht abkommen?
Wäre es Ihnen nicht gut, sich mal einige Wochen hier in den Armen
der Freundschaft zu erholen? — Ihr Zimmer ist immer bereit, und
Schroeter und Bessel vereinigen ihre Bitten mit den mehligen.
Legendre’s Werk habe ich mit Vergnügen durchgelesen, bin aber
doch auch, ich muss es gestehn, der Meinung, dass meine Methode be
quemer und genauer bleibt. Ich lege Ihnen nächstens umständlicher
mein Urtheil vor.
In den Formeln für die Lage und Gestalt eines Kegelschnitts, von
dem 3 radii vectores und die eingeschlossenen Winkel gegeben sind,
war q statt p ein Schreibfehler. Ihre Formeln sind allerdings noch
etwas bequemer. x )
Zach ist, wie man mir sagt, nach Triest zu seinem Bruder gereist.
Die Sternwarte zu Seeberg soll durchaus reparirt werden. Ich höre,
dass desswegen sogar die Instrumente haben weggeschafft werden
müssen. Die Stelle eines Astronomen ist noch nicht besetzt.
Bessel hat grosse Lust, die Perturbationen des Kometen von 1759
und seine nächste Wiederkunft zu berechnen. Ich weiss selbst nicht
recht, ob ich ihn dazu aufmuntern oder davon abrathen soll.
Alles, was Sie mir von Ihrer Methode, die Bahnen der Weltkörper
zu bestimmen, sagen, macht mich immer neugieriger. Ich freue mich,
dass 12 Bogen vollendet sind. Der Himmel gebe Ihnen Kühe und
Heiterkeit, mit diesem von uns allen so sehnlichst erwarteten Werk
fortzuschreiten.
Ich muss diesmal schliessen. Entschuldigen Sie die sichtbare Eile
und Unordnung, denn ich schreibe unter vielen Störungen und unruhigen
Umgebungen.
\
9 Vergl. die Anmerkung *) S. 312.
Sch.