Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

Olbers an Gauss. Bremen, 1809 März 14. 
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der diesen Ostern hoffentlich Göttingen besuchen soll. Hoffentlich sage 
ich und besuchen, denn der gute Junge hat diesen Winter mehr ge- 
kränkelt als sonst, und ich lasse ihn {unter uns) nicht ohne einige Be- 
sorgniss von hier, ob er auch wohl das dortige Klima ertragen wird. 
Der Druckfehler in Bode’s Jahrbuch, der die Bedeckung der Spica 
auf den 5. statt auf den 4. März setzt, hat mich neulich sehr angeführt. 
Ich eile gegen 11 Uhr auf mein Observationszimmer, und richte so 
gleich mein Fernrohr, ohne mich am Himmel umzusehen, auf den Mond, 
der gerade für mich hinter einem entfernten Hause aufging. Ich fand 
keine Spica beim Monde, glaubte also, der Stern sei schon eingetreten. 
Gegen die vermeintliche Zeit des Austritts stelle ich mich wieder ans 
Fernrohr und erwarte nun über eine halbe Stunde in jeder Sekunde 
die Wiedererscheinung. Endlich reisst mein Geduldsfaden, ich trete 
ans Fenster — und sehe die Spica 13° vom Monde. — Am 4. war es 
hier trübe. Meine Uhr war durch korrespondirende Sonnenhöhen be 
richtigt. 
Auf die Venus werden Sie wohl, wie ich, dies Jahr einige Auf 
merksamkeit wenden, um zu sehen, ob sich das merkwürdige Phänomen, 
die Sichtbarkeit ihrer dunkeln Halbkugel, wieder zeigen wird. Gern 
möchte ich mich durch eigenen Anblick davon überzeugen. 
Unser würdiger Justizrath Schroeter ist nicht unbedeutend krank; 
seit gestern lauten indessen die Nachrichten besser. 
Freund Bessel arbeitet noch nnermüdet an seinem BRADLEY’schen 
Katalog. Oft schon hat es mir leid getlian, dass ich ihm zur Unter 
nehmung dieser unermesslichen Arbeit Veranlassung gegeben habe. 
Allein wir erhalten dadurch nicht allein einen vortrefflichen Katalog, 
sondern auch noch sonst die wichtigsten Resultate über Refraktion, über 
Parallaxe, eigene Bewegung der Fixsterne u. s. w. 
Hier spricht man sehr viel von dem Erdfall, der sich auf Ihrem 
Heinberg zugetragen haben soll. Wahrscheinlich werden die Umstände 
sehr übertrieben angegeben. Sagen Sie mir doch, lieber Gauss, was 
eigentlich an der Sache ist. Hat sich auch bei Reinhausen ein ähn 
licher Erdfall ereignet? Wird Göttingen nicht bange, wenn die Erde 
und die Berge ringsherum einzustürzen scheinen? 
Haben Sie Ihr Publicum über die Bestimmung der Kometenbahnen 
wirklich gelesen? Gern hätte ich es mit gehört, und gern möchte ich 
Ihre Hefte darüber sehen, wenn Sie sich die Mühe genommen haben, 
welche aufzuschreiben. 
Sie haben mir nichts von Ihrer liebenswürdigen Gattin, nichts von 
Ihrem Joseph, nichts von meinem kleinen Pathchen geschrieben. Sagen 
Sie mir doch, lieber Gauss, wie es geht; ob Minchen schon zu lallen 
anfängt und entwöhnt ist? 
Olbers. II. 
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