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Olbers an Gauss. Bremen, 1809 Juni 27.
No. 219. Olbers au Gauss. im
Bremen. 1809 Juni 27.
Wie sehr bin ich Ihnen für das kostbare Geschenk Ihrer unvergleich
lichen Theoria motus corporum coelestium dankbar verpflichtet! Sie hatten
wohl Recht, wenn Sie mir sagten, dass durch die successive Ausbildung
Ihre Methode, wie sie jetzt ist, der anfänglichen Form derselben kaum mehr
ähnlich ist. Auch die lateinische .Umarbeitung scheint mir, so viel ich
mich noch von der damals nur flüchtigen Durchsicht des deutschen Textes
erinnere, noch vieles mehr vervollkommnet zu haben. Ich bewundere
gleich sehr die Deutlichkeit, womit Sie sich bis zu den Elementarlehren
herablassen können, und die neue verbesserte oder abgekürzte oder
bequemere Gestalt, die Sie den trivialsten Problemen zu geben wissen.
Bei einem kursorischen Durchlesen sind mir, wie ich glaube, keine
Schwierigkeiten aufgestossen, die ich nicht durch eigenes Nachdenken
heben könnte; sollten mir beim wirklichen Studiren des Werkes noch
einige Vorkommen, so werden Sie mir erlauben, mir von Ihnen Beleh
rung zu erbitten. Bloss um zu zeigen, dass auch dies erste Durchlesen
nicht ganz ohne Aufmerksamkeit geschehen ist, bemerke ich noch einen
freilich leicht in die Augen fallenden Druckfehler pag. 19 „erit m = 0“
statt „eritit=l“. — Ausser der vortrefflichen, nichts mehr zu wün
schen übrig lassenden Auflösung des Hauptproblems selbst, bewundere
ich unter vielem anderen auch vorzüglich die schöne Methode, wodurch
Sie durch einen äusserst ingeniösen Kunstgriff die wahren Anomalien
aus der Zeit, und die Zeit aus den wahren Anomalien in den der Parabel
nahe kommenden Ellipsen und Hyperbeln mittelst einer so einfachen
Tafel zu bestimmen lehren. — Doch von allen diesen bald mehr. Ich
gehe am 4. Juli nach Rehburg, werde dort 3 Wochen bis zum 27. Juli
bleiben. Ihre Theoria wird mich begleiten und dort beschäftigen, und
erst dann werde ich ausführlicher davon sprechen können.
Harding erzählt mir in einem Briefe, womit er mich kürzlich er
freut hat, von einer angeblichen Entdeckung des Herrn v. Lindenau,
nach der dieser aus den Br adlet’sehen und MASKELYNE’schen Beobb.
gefunden zu haben glaubt, dass der Durchmesser der O nach und nach
abnimmt. 1 ) Ich gestehe Ihnen, ich kann nicht daran glauben, und es
wild viel dazu gehören, wenn Hr. v. Lindenau mich überzeugen will,
dass diese vielleicht scheinbare Verminderung des Sonnendurchmessers
x ) Lindenau, Ueber den Sonnendurclimesser; Zach's M. C. Bd. XIX. S. 529,
Juni 1809. Vergl. hierauf bezüglich den Brief von Bessel an Olbers, Lilientlial.
1809 Juli 16; Briefwechsel No. 172. Sch.