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Olbers an Gauss. Rehburg, 1809 Juli 26.
Olbers an (lauss.
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No. 220.
Rehburg, 1809 .Juli 26.
Nur mit wenigen Zeilen sage ich Ihnen, mit meinem sogleich ab
reisenden Sohn, den herzlichsten, besten Dank für Ihren letzten präch
tigen Brief, und eile nur noch hinzuzufügen, dass ich hier das Ver
gnügen habe, mit dem Professor Pfaff aus Kiel, der hier die Kur
gebraucht, umzugehen, und dass mir dieser eine sehr nachtheilige Schil
derung von der Lage der Professoren in Dorpat gemacht hat. Sein
Bruder hatte dort 2500 Rubel, welches aber bei der Theuerung wenig
sein soll, und fand überhaupt seine dortigen Verhältnisse so unangenehm,
dass er sich um eine Stelle am Gymnasium zu Stuttgart, die 800 fl.
einträgt, jedoch unter Ausbedingung einiger nicht bewilligter Neben
vortheile vergebens beworben, und jetzt eine Stelle von 1000 fl. bei
dem Institut zu Nürnberg angenommen hat. Pfaff versicherte mich,
die Schuld der Unzufriedenheit seines Bruders zu Dorpat liege nicht
etwa in dem individuellen Charakter desselben oder seiner Unverträg
lichkeit, und er könne, dies waren seine Worte, keinem seiner Freunde,
der anderweitig irgend sein Auskommen habe, ratlien, nach Dorpat zu
gehen. Besonders sei der Kurator dieser Universität, Hr. v. Ivlinger,
ein äusserst unangenehmer Mann für die Professoren. Kasan sei Dorpat
in aller Rücksicht für das Auskommen sowohl, als das angenehme Leben
weit vorzuziehen, und man möge ja in dem so theuren Dorpat sich
nicht durch anscheinend grosse Besohlungen täuschen lassen. — Ich
habe mich, wie sich von selbst versteht, Ihretwegen, lieber Gauss, nichts
merken lassen, halte es aber für meine Schuldigkeit, Ihnen diese Aus
sage sogleich zu referiren. Der Tlieil derselben, das unschickliche Be
nehmen des Kurators gegen die Professoren betreffend, wurde auch von
einem anderen hier anwesenden Gelehrten, dem Leibmedikus Sterglitz
aus Hannover, bestätigt. Sehen Sie sich also wohl vor, mein theuerster
Freund, ehe Sie sich für Djorpat] bestimmen. Wenigstens würde mir
auf alle Fälle lieb sein, wenn sich die Sache vor der Hand auf schieben
liesse. Man kann nicht wissen, ob nicht die jetzigen Friedensunter-
liandlungen mit Oesterreich eine weitere Ausdehnung auch auf England
erhalten, und so Manches auf dem Kontinent anders bestimmt wird.
Zu der bevorstehenden glücklichen Entbindung meiner verehrten
Gevatterin wünsche ich Ihnen den besten Segen des Himmels und freue
mich auf Ihren baldigen Besuch in Bremen unendlich. ] )
r ) Auch zwischen den Briefen No. 220 und 221 fehlt ein Brief von Gauss an
Olbers vom 5. Aug. 1809, der unter anderem Gauss’ Bitte, Erkundigungen über
Leipzig einzuziehen, enthielt. gpjj