Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

Olbers an Gauss. Paris, 1812 Juli 18. 
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La Place, der sonst, wie Sie wissen, meine Hypothese über die 
Asteroiden ganz verwarf, scheint ihr nunmehr sehr gewogen [zu] sein. 
A\ ir haben \ iel darüber disputirt. — Er sagte mir vor einigen Tagen 
ganz ^ on fi eien Stücken, wie wir aus einer Sitzung des Instituts kamen: 
„Ich habe über Euer Argument, das Ihr von der grossen Neigung der 
Pallas bahn hernehmt , weiter nachgedacht, und ich muss auch jetzt 
sagen, dass ich Eure Hypothese sehr wahrscheinlich finde.“ — Ich hatte 
ihm nämlich vorgestellt, die Summe der Neigungen der 7 älteren Planeten 
gegen den Aequator der Sonne betrage nur 35,8889° (Decimal-Grade), 
die Neigung der Pallasbuhn allein aber 40,4098°. Hätten auch die 
älteren Planetenbahnen alle Neigungen bis zu 40,4098° annehmen können, 
so sei nach seinen eigenen Formeln die Wahrscheinlichkeit, dass die 
Summe der Neigungen dieser 7 Bahnen zwischen 0° und 35,8889° ent 
halten ist, 
Dies scheine es mir höchst wahrscheinlich zu machen, dass die 
Pallas durch eine fremde Kraft aus ihrer primitiven Laufbahn verdrängt 
sei etc. 
Als vorgestern die Sitzung des Bureau des Longitudes zu Ende 
ging (Lagrange war schon weggegangen), wandte sich La Place mit 
einer Anrede an mich, die eine Art von Vorlesung enthielt und von 
allen anwesenden Mitgliedern des Bureaus mit grosser Aufmerksamkeit 
angehört wurde. „Man hat jetzt,“ sagte er, „die Berechnung der Mond 
örter aus den Beobb. von La Hire und Flamsteed beendigt. Obgleich 
diese Arbeit gezeigt hat, dass die Beobb. an sich nicht sehr genau sind, 
so kann doch wegen der grossen Menge der berechneten Beobb. das 
Endresultat als ziemlich sicher angesehen werden. Beide Reihen stimmen 
in Ansehung dieses Resultats sehr gut überein: sie geben beide eine 
Korrektion von etwa 1" für die mittlere Bewegung, und bestätigen 
völlig jene Gleichung von einer langen Periode für den Mond, die ich 
angezeigt habe. Noch ist es freilich nicht möglich, das Argument dieser 
Ungleichheit mit Gewissheit zu bestimmen. Der Umstand, dass die 
Länge des Sonnen-Perigäums nicht weit von 90° abweicht, macht dies 
vorzüglich schwierig. Allein mir wird es immer wahrscheinlicher, dass 
diese Gleichung von der Verschiedenheit der beiden Halbkugeln der 
Erde abhängt. — An sich ist die Bestätigung jener Ungleichheit von 
langer Periode schon sehr wichtig, da von ihr die dauernde Ueber- 
einstimmung unserer Mondtafeln mit dem Himmel abhängt. Aber wenn 
meine Idee über die Ursache dieser Ungleichheit gegründet ist, so habe 
ich grosse Ursache zu vermuthen, dass sie eine ähnliche Ungleichheit 
= 0,000 086474 
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