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Olbers an Gauss. Paris, 1812 Juli 18.
von der nämlichen Periode in der Präcession, in der Nutation, und folg
lich auch in der scheinbaren Schiefe der Ekliptik zur Folge haben wird.
Was mir dies sehr wahrscheinlich macht, ist, 1. dass das tropische
Sonnenjahr wirklich im Mittel länger scheint, als es aus Vergleichung
der BRADLEY’schen Beobb. gefunden wird. Ich halte mich wirklich
überzeugt (hier wandte er sich an Delambre), dass das von Ihnen be
stimmte Sonnenjahr 48 s zu kurz ist, dass man Adelmehr die mittlere
Grösse desselben so finden wird, A\ r ie La Caille es gefunden hat (ich
meine 52 s ). Alle älteren Beobb. scheinen dies zu zeigen, und ganz be
sonders verdienen die chinesischen des 13. Jahrhunderts ein sehr grosses
Zutrauen. — (Hier erwiderte Delambre, dass dies ganz möglich sei,
er habe sich begnügen müssen, ein Sonnenjahr anzunehmen, das mit
den neueren Beobb. in Uebereinstimmung gebracht werden könne.)
2. Die BRADLEY’sche Schiefe der Ekliptik giebt mit der jetzt beobach
teten verglichen, eine Abnahme derselben, die mit der Theorie unver
träglich ist. Wir kennen die Massen der Planeten schon zu genau, als
dass man etwa in einer fehlerhaften Bestimmung dieser Massen eine
Unsicherheit der theoretischen Bestimmung suchen kann. Ebensowenig
lässt sich den BRADLEY’schen Beobb. ein Fehler von 4" bis 5" aufbürden.
Jene angegebene Ungleichheit von einer langen Periode in der Nutation
wird alles erklären, alles vereinigen. Es war übrigens schon oft der
Fall, dass Beobb. zuerst gewisse Ungleichheiten merklich machten, die
dem Geometer bisher in Entwicklung der Theorie der allgemeinen
SchAvere entgangen waren.“
Ich habe Ihnen, lieber Gauss, dies so ausführlich geschrieben, Aveil
auch mir La Place’s Vermutliung von der allergrössten Wichtigkeit
für die Sternkunde scheint. Ich hoffe, mein Gedächtniss ist mir, Kleinig
keiten abgerechnet, ziemlich treu gewesen. — Was meinen Sie darüber?
— Sollte es wirklich eine solche Gleichung a t oii langer Periode für die
Präcession und für die Nutation geben, Avie viel Verbesserungen haben
dann nicht unsere Planetentafeln, Fixsternverzeichnisse, wenigstens Avas
die eigene Bewegung der Fixsterne betrifft u. s. w. nöthig? Von der
andern Seite, Avie Adel anscheinende Widersprüche zwischen älteren und
neueren Beobb. werden dadurch aufgeklärt werden.
Die Beob. des Solstitiums mit dem REicHENBACH’schen Kreise ist
ganz vortrefflich ausgefallen. Man hat nun gelernt, den Kreis gegen
die ungleiche Erwärmung der Sonnenstrahlen zu schützen, die bisher
das Niveau so unruhig machte. Man ist noch immer mit diesem In
strument vollkommen zufrieden, und hält Zach’s Vorwürfe für un-
gegründet.
Humboldt hat mir neulich als ein Problem die merkwürdige Beob.
von Scheubler in Tübingen über die tägliche Veränderung der Magnet