Olbers an Gauss. Bremen, 1814 Mai 28.
547
empfehlen bitte, nicht noch mehrere detaillirte Beobb. über die Rich
tung- und Lage des Schweifs des Kometen von 1811? Ich würde für
die Mittheilung derselben sehr verbunden sein. Einstweilen habe ich
Brandes gerathen, die Schweife der Kometen von 1577, 1618, 1680
und 1744, die in dieser Hinsicht am besten beobachtet sind, mit seiner
Theorie zu vergleichen. Wenn man annimmt, dass die Repulsivkraft
der O umgekehrt wie das Quadrat der Distanz abnimmt und von den
perturbirenden Kräften des Kometen selbst ganz abstrahirt, so ist es
doch fast unmöglich, eine Gleichung für die Kurve, die der Schweif
bildet, anzugeben. Aber leicht ist es, so viele Punkte dieser Kurve zu
bestimmen, als man will. Nur muss das Maass der Repulsivkraft bekannt
sein, das erst aus den Beobb. zu suchen ist, aber vielleicht für ver
schiedene Kometen verschieden sein kann. Allgemein ist die Repulsiv
kraft bei gleichem Abstande weit stärker als die Schwerkraft. Brandes
hat schon ganz artige, mit der Erfahrung übereinstimmende Folgerungen
über die Länge, Form, Lichtstärke u. s. w. des Kometenschweifs vor
und nach der Sonnennähe aus der Theorie gezogen, ob ihm gleich das
eigentliche Maass der Repulsivkraft gänzlich fehlte.
Wird Lindenau nicht bald zurückkehren? Ich habe seit seiner
militärischen Laufbahn nichts von ihm gehört.
N. S. Jetzt sind wieder Sonnenflecken häufig. Könnten Sie, lieber
Gauss, unsern Harding nicht bewegen, diese noch immer so räthsel-
liaften Flecken anhaltend zu beobachten? Es ist eine Schande für die
Sternkunde, dass wir die Rotation der O und die Lage ihres Aequators
noch mit so weniger Genauigkeit kennen. Freilich sind die Schwierig
keiten gross; denn ich bin überzeugt, dass die mehrsten Flecken ausser
der Rotationsbewegung noch eine eigene Verrückung auf dem O-Körper
haben. Aber bisher ist doch auch gar zu wenig für diesen Tlieil der
Astronomie geschehen, und seit Mechain’s Zeiten sind mir keine einiger-
maassen brauchbaren Beobb. von O-Flecken bekannt. Die Beobb. müssen
aber möglichst genau sein, wobei freilich die noch ohnehin veränder
liche Figur der Flecken grosse Hindernisse macht. Man muss dess-
wegen jedesmal die Beobb. fünf bis sechsmal wiederholen, um ein zu
verlässigeres Mittel zu haben. Auch wird es gut sein, so oft dies
angeht, zwei nicht gar zu nahe Flecken zugleich zu beobachten, um
die eigene Bewegung der Flecken auf der O leichter zu unterscheiden.
— Ich gestehe es, die Sache ist mühsam und erfordert Geduld und
Ausdauer, aber sie verspricht auch neue und wichtige Resultate.