Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

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Gauss an Olbers. Göttingen, 1814 Juni 1 o. 
No. 280. Gauss an Olbers. 1 ) [m 
Göttingen, 1814 Juni 15. 
Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief. Ich wünsche Ihnen Glück 
zur Befreiung Ihres Sohnes und freue mich darauf, ihn bald wieder 
hier zu sehen. Ist es denn ganz unmöglich, dass Sie selbst ihn zurück 
bringen, oder nach vollendeter Badekur einige Meilen Umweg über 
Göttingen nicht achten? Sollten Sie nicht auch unsere, wenngleich 
kleinen, doch merkwürdigen REicHENBACH’schen Instrumente etwas mit 
anreizen können? Seit wenigen Wochen haben sich diese wieder durch 
ein überaus schönes Heliometer vermehrt. Ich muss Ihnen nothwendig 
ein wenig davon vorplaudern. Ein DoLLOND’sches Heliometer habe ich 
nie gesehen; ich meine aber, dass diese meistens so eingerichtet sind, 
dass vor ein vollständiges achromatisches Fernrohr zwei (nichtachroma 
tische) Objektivhälften von bedeutender Brennweite vorgesetzt werden, 
deren Centrum-Distanz durch Skale und Vernier gemessen wird; wenig 
stens ist das Seeberger Heliometer so nach Nicolai’s Beschreibung; 
denn dieser (welcher es nur obenhin betrachtet hatte) erzählte mir 
gestern, dass es nur Plangläser schienen; ebenso wird wahrscheinlich 
das Königsberger sein, da es als Accessorium zu einem vollständigen 
Aequatoreal gehört. Ein solches Heliometer kann also, als optisches 
Werkzeug betrachtet, nicht mehr leisten, als ein gemeines Fernrohr 
von grosser Brennweite. Bei dem unsrigen ist nur ein zerschnittenes 
achromatisches Objektiv von 43 par. Zoll Brennweite, 34 Lin. Oeffnung, 
1 Vergrösserungen von 50, 70, 100, 150. Dies Fernrohr, wenn beide 
Objektivhälften zusammengebracht werden, ist von ungemeiner Voll 
kommenheit; ich habe weder Mond noch Sonne je schöner gesehen. Am 
Monde drängt sich mir unwillkürlich die Körperlichkeit der Gebirgs 
gegenden auf; auf der Sonne zeigen sich jetzt ausser einem kleinen 
Flecken nebst drei oder vier sehr kleinen andern dabei überall Un 
gleichheiten, namentlich habe ich heute nordöstlich eine Stelle sehr 
auffallend bemerkt, die gerade so aussieht, wie bald nach Sonnenunter 
gang im orangefarbenen Abendhimmel ein weissliches Wölkchen, gewiss 
werden Sie es nach Empfang dieses Briefes auch noch mit Ihrem schönen 
Dollond wahrnehmen können. Saturn habe ich noch nicht gesehen. — 
Die Entfernung der Centrorum der Objektivhälften wird durch Um 
läufe und Tlieile (tdtW leicht abzulesen) einer trefflich gearbeiteten 
Schraube gemessen, ein Umgang beträgt 56". Verschiedene Bestim 
mungen des Error Indicis aus grossen und kleinen Objekten, himm 
lischen und irdischen, geschlossen, differiren selten \ Sekunde. Doch soll 
vom Error Indicis eigentlich gar keine Rede sein, denn das Instrument 
0 Dieser Brief ist in lateinischer Schrift geschrieben. Sch.
	        
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