Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

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Olbers an Gauss. Bremen, 1815 November etwa 19. 
des grünen Bildes nehme. Für diese mit achromatischen Fernrohren 
genommenen Höhen der Cirkumpolarsterne müsse also auch aus diesem 
Grunde die Refraktion grösser sein, als Bradley sie gefunden habe. 
— Hieraus möchten sich nun auch, meint Hr. Lee, die Diskrepanzen 
erklären lassen, die man zwischen Beobb. der Sonne und der Cirkum- 
polarsterne finde. Dass man diese Diskrepanz zu Paris grösser finde 
als zu Greenwich, zn Palermo grösser als zu Paris, rühre tlieils von 
der geringeren Polhöhe, tlieils von der grösseren Durchsichtigkeit der 
Luft in den südlicheren Gegenden her, die die schwächeren Farben 
mehr sichtbar machten etc. etc. 
Es wird mir leid tlmn, wenn Sie diese kleine Abhandlung schon 
selbst kennen, Ihnen mit diesem langen Auszuge Langeweile gemacht 
zu haben. Sie sehen wenigstens daraus, dass mich Hr. Lee’s Aufsatz 
sehr interessirt hat. Unmittelbar aber wenigstens trägt dieses von 
Hrn. Lee urgirte Dispersionsvermögen nichts zur Erklärung Ihres astro 
nomischen Räthsels bei. Die rothen Sonnenbilder sollten eine grössere, 
keine kleinere Polhöhe geben. Ist aber die Refraktion überhaupt zu 
klein, und für Sterne ohne Blendung gesehen viel zn klein, so möchte 
sich etwas mehr unter Sonnen- und Cirkumpolarstern-Beobb. ausgleichen 
lassen. Ueberhaupt möchte ich Ihr Urtheil über diesen Gegenstand 
gern wissen. 
Hr. Lee will noch, dass man die Refraktion auf dreierlei Art 
bestimmen soll: 1. durch Beobb. der Sterne bei Nacht, da alle prisma 
tischen Farben sichtbar sind, 2. durch Beobb. der Sterne bei Tage, da 
nur orangefarbene Strahlen geselren werden, und 3. durch Sonnenbeobb. 
mit verschieden gefärbten Blendungen. 
Ich hatte mir nach Ihren Aeusserungen und dem Abrégé schon 
keine grosse Vorstellung von Delambre’s ungeheurer Astronomie ge 
macht; aber so betrübt hatte ich sie mir doch nicht vorgestellt. Wie 
viel hat La Lande bei allen seinen Fehlern noch voraus! 
Lineenau schrieb mir, dass er einen nach Ofen erhaltenen Ruf in 
Ueberlegung nehme. Es sollte mir schmerzhaft leid thun, unsern treff 
lichen Freund künftig so weit von uns entfernt zu wissen. Ist denn 
Pasquich todt? — Ist Mannheim noch nicht vergeben, oder ist noch 
Hoffnung für Ihren braven Gerling? 
Die äusserst und bewundernswürdig kompendiösen Tafeln 1 ) zum 
Höhenmessen mit dem Barometer haben mir ausnehmend gefallen. 
Von meinem Sohn habe ich kürzlich gute Nachrichten gehabt. 
Nochmals meinen herzlichsten Dank, lieber, theurer Gauss, für Ihren 
freundlichen Besuch. Meine Frau und meine Kinder empfehlen sich mit 
mir Ihnen und Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin. *) 
*) Vergi. Bode’s Astron. Jahrbuch für 1818, S. 169. 
Sch.
	        
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