Olbers an Gauss. Bremen, 1816 Juni 30.
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aber ich brauche Unterstützung.“ Können Sie, lieber Gauss,
unsers braven Bessel’s Wunsch nicht erfüllen?
Bessel meldet mii zugleich, dass die Parallaxe von fx Cassiopejae.
wenigstens ihr Unterschied von der Parallaxe von $ Cassiopejae ganz
unmerklich sei. Aus den 80 Beobb. findet sich sogar dieser Unterschied
negativ, doch freilich klein genug, dass ihn der über doppelt so grosse
wahrscheinliche Fehler der Bestimmung noch positiv machen könnte.
Ich gestehe, es ist mir ganz unbegreiflich, dass auch die Parallaxen
dieser sich so stark bewegenden Sterne, als ju Cassiopejae und 61 Cygni
so unmerkbar sein sollen. A\ ie ungeheuer gross muss die Geschwin
digkeit dieser Sterne sein? Wie ungemein verschieden von der Be
wegung anderer Sterne? Durch welche Kräfte, zu welchem Zweck,
oder durch welchen Zufall haben gerade einige wenige Sterne mitten
unter den übrigen einen so schnellen Lauf?
Die Juno habe ich an einem heitern Abend, den 13. Juni, auf
gesucht, und, wie ich glaube, nicht weit von dem südlicheren der beiden
schönen Nebelflecke im Opliiuchus gefunden. Ich musste drei kleine
Sterne beobachten, die ich alle drei mit einem Stern 7. 8. Grösse nach
Piazzi h. XVI, No. 226 verglich. Derjenige, den ich für die Juno
halte, folgte auf No. 226 P. um ll h 2 m 15 s M. Z. l m 26,5 S , und um
ll h 14 m 32 s M. Z. l m 27 s . — 1 Allein nachher fiel wieder so anhaltend
trübes Wetter ein, dass ich meine Beobb. nicht habe fortsetzen können.
Nach dieser wäre der Fehler der in der A. Z. enthaltenen Ephemeride
etwa 9' bis 10' in Ai. Des Hrn. Nicolai sehr schätzbare Arbeit über
den Kometen von 1815 habe ich mit Bessel’s Aufsatz sorgfältig ver
glichen. Es ist sonderbar, dass das wahrscheinlichste Resultat für die
Umlaufszeit z. B., das jeder findet, um weit mehr als den wahrschein
lichen Fehler, den jeder seinem Resultat zuschreibt, von einander ver
schieden ist. Dies sollte doch nicht darin liegen, dass Nicolai die
SANTiNi’sclien, Bessel die OßiANi’schen und TRiESNECKEE’schen Beobb.
mit gebraucht hat? — Ob die von Nicolai vernachlässigten Perturba-
tionen dazu beitragen können? Wenigstens scheint mir N[icolai] darin
Unrecht zu haben, wenn er es für so ganz gleichgültig hält, sie mit
in Betrachtung zu ziehen oder nicht. Die Beobb. werden sich freilich
auch ohne auf diese Perturbationen Rücksicht zu nehmen, ebenso gut
darstellen lassen; aber die Bahn wird anders sein, und die Bestim
mungen der wahrscheinlichsten Bahn, nicht die möglichst genaue Dar
stellung der Beobb. ist der Zweck der Rechnung.
Für die Mailänder Ephemeride bin ich Ihnen sehr verbunden. Für
uns Astronomen auf dem festen Lande sind es bei weitem die voll
ständigsten und brauchbarsten. — Es ist befremdend, dass in der Conn.
des tems noch gar keine Rücksicht auf die neuen Planeten genommen wird.