646
Olbers an Gauss. Bremen, 1817 März 12.
ich der Astronomie mehr oder weniger meine Nebenstunden widme,
noch nicht vorgekommen. Weder von der grossen Sonnenfinsterniss,
noch von der Mondfinsterniss war hier das Geringste zu sehen, und
ebenso wenig habe ich mich mit Aufsuchung von Kometen, Durch
musterung des mir angewiesenen Bezirks am Himmel x ) u. s. w. beschäf
tigen können.
Zuerst meine herzliche Freude über Ihr und der Ihrigen Wohl
befinden in der noch so feuchten neuen Wohnung. Da ich selbst, freilich
vor 17 Jahren, ein neues Haus bezogen habe, so kenne ich ganz die Un
annehmlichkeiten dieser Feuchtigkeit. — Haben Sie wohl, lieber Gauss,
in Ihren Wohn- und Bücherzimmern sogenannte Luftscheiben anbringen
lassen? d. i. einzelne Fensterscheiben, die von einem Blechenschläger,
alias Klempner, so eingerichtet sind, dass man sie für sich eröffnen
kann, ohne die ganzen Fenster aufzusperren? Dies ist von mannig
faltiger Bequemlichkeit und vielem Nutzen in einer neuen Wohnung.
Denn wenn man bei feuchter Witterung die Fenster öffnet, so quillt
das Holz aus, sie lassen sich nicht wieder zumachen, oder der Tischler
muss mit dem Hobel nachhelfen, und dann sind die Fenster auf immer
verdorben, weil sie bei eintretender trockener Witterung sich zu sehr
zusammenziehen und nie wieder recht schliessen.
Dass Sie noch so wenig mit Instrumenten auf der neuen Stern
warte versehen sind, war mir eine unerwartete Nachricht. Ich glaubte,
der BEPsoLD’sche Kreis sei längst abgeliefert. Auf das endliche Resultat
Ihrer höchst wichtigen Versuche, über die wahrscheinliche Ursache der
Unterschiede, die ein Repetitionskreis für die Polhölie aus Sonnen- und
Polarsternbeobb. giebt, bin ich äusserst neugierig.
Sie haben ganz recht, und ich habe sehr gefehlt, nicht anzuführen,
dass variabilis Cygni auf Harding’s schönen Karten stellt. Das vorige
Jahr ist die Witterung auch den Beobb. dieses Sterns nicht sehr günstig-
gewesen, und ich habe seine grösste Lichtphase mit weniger Zuverlässig
keit als das Jahr 1815, auf den 17. Nov. 1816, ganz mit der Formel
übereinstimmend gefunden. Der Stern erreichte nicht ganz die Licht
stärke, die er 1815 hatte; er blieb etwas kleiner als ■% Flamsteed. —
Bei der Gelegenheit fällt mir eine Bitte ein. Wollten Sie nicht einmal,
entweder selbst oder durch einen andern, Schiller’s Coelum Christianum
mit Bayer’s Uranographia in Absicht auf die veränderlichen Sterne,
mira Cygni, mira Ceti, variabilis Hydrae und Coronae vergleichen oder
vergleichen lassen? Bayer theilte dem Schiller zu seinem Coelum
Christianum (ich habe dies seltene Werk nie gesehen) seine revidirie,
x ) Vergleiche über diese Absicht einer vertheilten Durchmusterung den Brief
wechsel Bessel-Olbers, Brief No. 286, 1815 Dec. 7. Sch.