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Gauss an Olbers. Göttingen. 1817 August 2.
Unmöglichkeit, die Unterschiede aus dieser oder jener Ursache zu er
klären. am eigenen Instrumente lebendiger anschaut, als am fremden.
Es wäre wohl der Mühe werth, dass ein geübter Beobachter mit
REiCHENBACH’schen Kreisen ein Jahr auf dem Kap fleissig Sonne und süd
liche Circumpolarsterne beobachtete. Dies würde uns vielleicht manchen
Aufschluss geben. Ueberhaupt tliun zwar die Regierungen jetzt viel
für Astronomie durch Erbauung von Sternwarten, aber die Ausrüstung
astronomischer Reisen ist seit geraumer Zeit ganz aus der Mode ge
kommen.
Ueber Hm. v. Kramer kann ich zwar im Allgemeinen nicht ur-
theilen, der mir mitgetheilte Aufsatz schien mir aber unbedeutend und
unhaltbar.
Benzenberg’s Briefe aus Paris habe ich auf Ihre Veranlassung
nachgesehen. In der Hauptsache bin ich mit ihm einstimmig, nämlich,
dass auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen Gelehrsamkeit ohne
Mutterwitz wenig Werth hat. Ich halte mich überzeugt, dass nicht
leicht eine interessante Entdeckung, ein wichtiger Aufschluss etc. heraus
gerechnet ist, sondern dass er immer aus lebendiger Anschauung des
Innern der Sache hervorgehen musste. Nur wird ein ungeübtes Auge
dies nicht immer bemerken. Hr. Benzenberg scheint oft zu glauben,
man habe nicht eher gemerkt, dass die Sonne scheine, bevor er es aus
gerufen. Seine Beispiele aus der Kometentheorie und Optik sind sehr
unglücklich für seine Reputation gewählt, für welche ich immer besorgt
sein werde, wenn er über Männer wie Euler zu Gericht zu sitzen sich
unterfängt.
Von unsern neuen Instrumenten von Repsold und Reichenbach
ist leider noch immer nichts angekommen. An dem Zimmer für die
REicHENBACH’sclien Instrumente wird fleissig gearbeitet, die Pfeiler
stehen bereits. Den Mauerquadranten habe ich auf ge,hängt und um-
gehängt. Seit Mitte Juni habe ich ß und y Draconis zwölf- und elfmal
resp. beobachtet. Allein die Beobb. stimmen bei weitem schlechter
unter einander als Beobb. am REiCHENBACH ; schen Repetitionskreise. Im
Mittel erhalte ich für den Anfang von 1817 die wahre Zenitli-
distanz von
Diese Mittel mögen aber leicht um 3" und mehr ungewiss sein.
Ich begreife nicht, wie Bessel dazu gekommen, Mayer’s Beobb. am
Quadranten für die Gleichheit der V inter- und Sommer-Schiefe zeugen
zu lassen. Schon desswegen nicht, weil Mayer durch seine Beobb. den
Kollimationsfehler gewiss nicht auf 2" zuverlässig erhalten konnte.
ß Draconis
y Draconis
0° 54' 41,4" N.
0° 0' 5U0" S.