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Gauss an Olbers. Göttingen, 1818 Juni 24.
Ausnahmen vorgekommen, die beweisen, dass man sich nicht unbedingt
auch nur 12 Stunden auf Unverrücktheit verlassen kann. Die Dekl.
des Nordsterns selbst habe ich ein paar Mal auf diese Art 4" grösser
als aus Bessel’s Tafel gefunden, welches, wenn diese sie auch 1" zu
klein geben, eine Verrückung von 6" in 12 Stunden voraussetzt (am
Pointiren und Ablesen lag es gewiss nicht, auch wurde eigentlich bei
jeder Kulmination die Z.-D. dreimal beobachtet), auch stimmten die
Mikroskope unter sich gut; es sind also nur drei Möglichkeiten:
1. entweder der Stein hat sich etwas gedreht (um eine horizontale
Axe von Osten nach Westen, d. i. die eine Seite hat sich im
Süden oder Norden etwas gesenkt);
2. oder das Lager, welches die Mikroskope trägt, hat sich etwas
gedreht;
3. oder die Verbindung des Kreises oder Fernrohrs mit der Axe
ist in der Nacht etwas geändert.
Wäre 1 und 2 der Fall gewesen, so hätte sich dies auch an der Libelle
zeigen müssen; ich bin hierdurch auf die Nothwendigkeit geführt, un
mittelbar nach jeder Polarstern- und Sonnenbeob. oder jeder sehr wich
tigen Beob. zu nivelliren, welches freilich etwas lästig ist, zumal jetzt, wo
die Libelle noch keine Skale hat (die mir Repsold schicken wird); allein
dies ist nicht zu ändern, und ich möchte darin eine Bestätigung finden
von dem, was ich immer geglaubt habe, dass das Nichtversehensein mit
Libelle oder Loth bei Pond’s Kreise ein grosser Fehler ist; freilich
muss es eine Libelle sein, wie die REPsoLD’sche, mit der man keine
halbe Sekunde fehlen kann. Wäre aber No. 3 der Fall gewesen (was
ich aber um so weniger glauben kann, da ich selbst in den betreffenden
Nächten gar nicht observirt habe und Haeding auch das Instrument
damals nicht berührt zu haben versichert), so könnte dies durch die
Libelle, wie sie jetzt angebracht ist, nicht erkannt werden, wohl aber
mit einer neuen Libelle, die Repsold mir auf meinen Wunsch noch
liefern wird, und die unmittelbar auf das Fernrohr gestellt wird.
Diese neue Libelle und ihre Vergleichung mit der alten, die zwischen
zwei Kreisspeichen aufgehängt wird, wird sehr wesentlich sein, um
über diesen Umstand Aufschluss zu geben; denn in der Tliat ist die
Verbindung des Kreises mit der Axe vielleicht, wenn das Instru
ment einmal unsanft behandelt wird, wohl einer kleinen Veränder
lichkeit unterworfen, da jene Verbindung nur von einem kleinen Radius
abhängt; jedoch kann hierüber die Erfahrung allein entscheiden.
Uebrigens sind alle Verbindungen durch Messingschrauben gemacht
und am ganzen Instrument ist beinahe gar kein Stahl (bloss die
Mikroskopschrauben ausgenommen und die Stellschraube des Kreises
für die Höhe — aber nicht die Stellschraube für die beiden Lager).