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Olbers an Gauss. Bremen, 1819 April 9.
Soweit hatte ich geschrieben, als ich mit Ihrem zweiten, sehr
gütigen Briefe erfreut und überrascht wurde. Tausend Dank, mein
allertheuerster, geliebtester Freund, für die lichtvolle Belehrung über
meine Anfrage und Bitte. Ich sehe nun den Grund, warum mein Ver
fahren fehlerhaft war, vollkommen ein; bin aber auch mit Ihnen über
zeugt, dass es bei dieser Bahnverbesserung am zweckmässigsten ist, die
erste Gleichung als absolut genau anzusehen, und eine der unbekannten
Grössen unmittelbar durch sie zu eliminiren. Die Form, die sie dieser
ersten Gleichung durch die Einführung von M und m geben, gefällt
mir ungemein; aber ich sehe nicht recht, was m", m r , M" bedeuten.
Ich meine, man hätte nur 3 Grössen m, M und M\ und die Gleichung
werde durch die Zeit des Periheliums bestimmt.
Auch ich sehe gleich beim Durchlesen, dass die unbegreifliche Prä-
cision, die Littrow für die BEssEL’schen vR herausrechnet, auf Illusion
beruhe und dass man unmöglich seine verschiedenen, für die jR erhal
tenen Resultate als unabhängig von einander ansehen und behandeln
könne. Ich bin mit Ihnen überzeugt, dass unser trefflicher Bessel mit
seinen Instrumenten alles leistet, was sich damit leisten lässt; aber dass
dies doch in dem weniger vollkommenen Zustande der Instrumente, die
er braucht, seine Grenzen findet. Bei einer Stelle Ihrer Kritik muss
ich aber wieder Sie nicht recht verstehen, pag. 23 sagen Sie, „ist die
4 V 0 7) Q
richtige Formel nicht —sondern - 1 ,■■■“. — Das Letztere doch
P + ? V Hr
wohl nicht, wenn p und q wirklich unabhängig von einander sind?
Denn da —-ß— immer zwischen 1 v und l q fällt, und nothwendig kleiner
p + q “
als p und kleiner als q ist, so würde ja daraus folgen, dass das Resultat,
das aus der Verbindung der beiden auf p und q Beobb. gegründeten
Resultate entsteht, als auf weniger Beobb. gegründet anzusehen sei,
wie jedes einzelne für sich. Weisen Sie mich doch hier, lieber Gauss,
mit Ihrer gewohnten Güte zur richtigen Ansicht.
Auch Littkow's Beispiel zeigt, dass mein obiger Wunsch einer
vollständigen Anleitung zum richtigen Gebrauch der Methode der klein
sten Quadrate nicht ohne Grund geäussert sei.
Mit innigem Bedauern sehe ich auf unsere hinsterbende, astrono
mische Zeitschrift. Ist gar keine Hoffnung, etwas Aehnliches, nur Leben
digeres, regelmässiger Erscheinendes wieder an die Stelle setzen zu
können? Allerdings ist die Zeitschrift des Hrn. v. Zach etwas eintönig
und etwas breit. Indessen lese ich doch seine Aufsätze, wenn ich auch
manchmal etwas dabei oder dagegen zu erinnern haben sollte, fast nie
ohne Vergnügen und Belehrung.
Ist Ihnen etwas Näheres über die schon 1812 (?) gekrönte Preisschrift