Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Olbers an Gauss. Bremen, 1821 April 15. 
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Wann und wie Sie Ihre Campagne eröffnen werden, darüber er 
warte ich die Nachrichten mit Ungeduld und melde nur vorläufig zu 
gelegentlicher gütiger Erinnerung, dass ich, dem es für immer zu 
Reisen an Kraft, Muth und Lust fehlt, den ganzen Sommer in Bremen 
sein und den möglichen Besuch meines theuren Freundes zu jeder be 
liebigen Zeit als ein höchst erfreuliches Glück betrachten werde. Es 
könnte doch, schmeichle ich mir, Umstände geben, wo in nicht zu 
grosser Entfernung von Bremen nöthige Vorbereitungen, die Ihre 
Gegenwart nicht erfordern, doch Ihre Thätigkeit auf einige Zeit lähmen 
und Ihnen Gelegenheit geben würden, den sehnlichen Wunsch Ihres 
einsam trauernden Freundes zu erfüllen. Bedenken Sie dabei, lieber 
Gauss, dass ich dem Kalender nach 63 Jahre, meiner Konstitution 
nach weit über 70 Jahre alt bin und dies Leben — ohne Widerwillen 
und Furcht — bald verlassen werde. Noch diese vergangene Nacht 
habe ich einen meiner gleich]ährigen, mir sehr theuren Jugendfreunde, 
den Bürgermeister Tidemann, einen der bravsten Männer, die es je 
gegeben hat, durch den Tod verloren! 
Der berüchtigte Weonski setzt seine Angriffe auf die Längen 
kommission, besonders auf Dr. Young, fort. In einer seiner letzten 
Schriften hat er, wie ich höre, eine neue Theorie der Refraktion auf- 
gestellt, und behauptet, dass diese des Morgens und des Abends (also 
auch wohl bei Tage und bei Nacht, im Winter und im Sommer) unab 
hängig von der Temperatur durch die Einwirkung der Sonne auf die 
Elasticität der Luft verschieden sei, und will deswegen noch zwei Ele 
mente in den Refraktionskalkul, — Zeit und Länge der Sonne — ein 
führen. An der Sache mag etwas sein; ob wir aber schon im Stande 
sind, die Werthe und Gesetze dieser an sich auf alle Fälle sehr kleinen 
Korrektionen zu bestimmen, lasse ich dahin gestellt sein. 
Die Mailänder Ephemeriden habe ich vor etwa 6 Wochen gleich 
falls durch die gütige Besorgung des Hrn. Prof. Nicolai erhalten. 
Könnten Sie, lieber Gauss, nicht einmal bei Gelegenheit einer Recen- 
sion dieses Jahrgangs in den Gott. Gel. Anz. ernstlich eine frühere Be 
kanntmachung dieser so schätzbaren Ephemeride empfehlen? Gewiss 
werden die G. G. A. den Mailändern zu Gesicht kommen, und eine Er 
innerung von Ihnen wird nicht ohne Wirkung sein. 
In eben diesen G. G. A. habe ich eine Nachricht von den Göt- 
tingenschen Beobb. und Berechnungen des Kometen zu finden gehofft, 
wäre es auch nur, um Ihren so viel versprechenden Schüler v. Staudt 
frühzeitiger der gelehrten Welt näher bekannt zu machen und zu 
empfehlen. 
Variabilis Cygni ist dieses Jahr grösser geworden, als ich ihn je ge
	        
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