Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Ü3 Gauss an Olbers. [Göttingen], 1821 Juli 8. 
falls ich sie überhaupt zu Ende führe. Denn, mein theuerster Freund, 
im engsten Vertrauen gesagt, bleibt dies noch zweifelhaft. Wenn meh 
rere Disproportionen meiner hiesigen Lage mich oft missmuthig machten 
und mir den Wunsch einer Veränderung abnöthigten, so kann ich es 
nicht so geradezu von der Hand weisen, dass jetzt eine doppelte Aus 
sicht dazu da ist. Einmal ist mir von Hamburg 1 ) indirekt ein Antrag 
gemacht, wo man sich zu freier Wohnung und 6000 Mark Courant 
verstehen will, circa f- von dem, was ich hier habe. Ich glaube kaum, 
dass das Leben in gleichem Verliältniss tlieurer dort ist als hier, da 
manche sehr bedeutende Artikel dort wieder bedeutend weniger kosten 
als hier. Das Missverhältniss meiner hiesigen Diensteinnahme zu einem 
über die gemeinen Lebenssorgen bei einer zahlreichen Familie erhabenen 
Bedarf ist übrigens nur ein Grund meiner Unzufriedenheit. Ein ebenso 
wichtiger ist das Missverhältniss der Arbeiten zu meinen Kräften und 
meinen Neigungen. Dass ich bei den mühsamen Geschäften der prak 
tischen Astronomie aller reellen Hülfe entbehre, davon sage ich nichts, 
weil diese Arbeiten, insofern sie nicht meine Zeit ganz wegnehmen, 
mir immer auch Vergnügen machen. Aber das Kollegienlesen erregt 
immer das Gefühl, dass ich meine Zeit auf eine edlere Art anwenden 
könnte, und mit Betrübniss fühle ich, bei zunehmenden Jahren, wie 
wenig ich zu den edleren Arbeiten kommen kann, und die Stunden dazu 
ergeizen muss. Eine zweite Aussicht habe ich nach Berlin, * 2 ) wo die 
Sache so steht, dass ich leicht einen förmlichen Ruf dahin, aller Wahr 
scheinlichkeit nach, würde veranlassen können. Was mich von ent 
scheidenden Maassregeln bis jetzt noch zurückhielt, sind Familienver 
hältnisse und die nur zu gegründete Besorgniss, dass ein grosser Theil 
des Vermögens meiner Frau bei einer Veränderung in die Brüche gehen 
könnte. Allein auf [die] eine oder andere Art muss es anders werden, 
wenn ich nicht dabei zu Grunde gehen will. 
1821 Juli 9. 
Recht sehr danke ich für Ihren so eben erhaltenen gütigen Brief. 3 ) 
Den Faktor cosinus der halben Elongation habe ich damals deswegen 
nicht beigesetzt, weil ich nur das Maximum des zu erhaltenden Effekts 
abschätzen wollte, wobei man die Stunde auswählen kann, wo die 
Sonne im Vertikal des Punktes steht, wohin man das Licht schicken 
will und wodurch jener Cosinus nicht so sehr viel kleiner als 1 wird. 
Sonst versteht sich, dass bei sehr schiefem Auf fallen der Effekt viel 
x ) Siehe Brief No. 410 an Olbers Anmerkung. Krm. 
2 ) Siehe Brief No. 7 des General v. Muffling an Gauss (1821 Apr. 14) in 
K. Bruhns, Briefe zwischen A. v. Humboldt u. Gauss, Leipzig 1877. Krm. 
3 ) Brief No. 423 vom 6. Juli. Krm.
	        
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