Olbers an Gauss. Bremen, 1820 April 12.
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samkeit alles an wendet, mir meine Lage weniger drückend zn machen,
auf eine Art, die ich ihm nie genug verdanken kann.
Wenn meine Kräfte es aushalten, und nicht etwa der Tod mich
früher ausspannen sollte, so denke ich dieses Jahr noch meine praktischen
Geschäfte fortzusetzen; aber auf alle Fälle werde ich mich mit dem
Anfänge des künftigen Jahres völlig in Ruhe setzen.
Zu astronomischen Beschäftigungen fühle ich noch wenig Lust und
Kraft; nur leichtere Rechnungen geben mir einige Erholung. Sie werden
wohl die letzte Winterschiefe nicht, wenigstens nicht mit Ihrem Reichen
bach beobachtet haben? Es ist doch wieder sehr auffallend, dass
Soldner und Nicolai 6" Unterschied in dieser Schiefe finden. Noch
immer bleibt das dunkle Räthsel dieser sonderbaren Anomalien unauf
gelöst, und wird es so lange bleiben, bis durch die von Ihnen so zweck
mässig empfohlenen Beobb. aus einem Quecksilber- oder Oelhorizont die
absolute Richtigkeit der verschiedenen Instrumente geprüft und ent
schieden wird, welche von diesen Werkzeugen richtige Z.-Dist. geben.
Eine Vergleichung unserer Beobb. mit denen auf einem jenseits
des Aequators angelegten Observatorium angestellten wird sich noch
wohl fürs erste nicht machen lassen. Ich hatte Gelegenheit in einem
Briefe an Dr. Young wieder die Nützlichkeit, ja die Nothwendigkeit
einer Sternwarte auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung vorzustellen.
Er antwortet mir: „Euer Brief kam gerade zu rechter Zeit, um ihn in
einer vom Board of Longitude, in der ausdrücklichen Absicht, ein solches
Observatorium einzurichten, niedergesetzten Kommission vorzulesen.
Wir finden indessen, dass dabei beträchtliche Lokalhindernisse ein-
treten werden, wegen eines dort allgemein herrschenden, alles durch
dringenden Sandstaubes, der höchst wahrscheinlich in kurzer Zeit jeden
Spiegel, und jedes eingetheilte Werkzeug verderben wird, indem er die
Oberflächen verdunkelt, und die Axen und ihre Unterlagen wegreibt.
Es ist deswegen beschlossen worden, einen mit den besten beweglichen
Instrumenten versehenen Astronomen dahin zu schicken, um einige vor
läufige Beobb. zu machen, und an Ort und Stelle zu untersuchen, ob
sich ein Lokal finden lässt, dass von diesen Hindernissen frei ist. ;<
Prof. Schumacher schrieb mir, dass er seine Beobb. zu Lyssabel
habe aufgeben müssen, weil sich die Mikrometerfäden in seinem Reichen
bach schlangenförmig krümmten. Muss dies nicht den Verdacht erregen,
ob man sich auch wohl überhaupt zu sehr auf die unveränderte Elasticität
der Spinnfäden verlässt? 1 ) Es sind offenbar hygroskopische Substanzen,
1 ) Vergl. hierzu auch den Briefwechsel Olbers-Bessel Brief No. 278 u. 280
Olbers an Bessel, sowie Brief No. 279 u. 281 Bessel an Olbers, in welchen Bessel
zu demselben negativen Resultate kommt, wie Gauss im folgenden Briefe. Knn.