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Gauss an Olbers. Göttingen, 1820 Mai 1.
und wenn sie von Feuchtigkeit so sehr erschlaffen können, dass ihre Biegung
ganz augenfällig wird, was steht uns dann dafür ein, dass sie nicht
öfter im geringem Grade eine dem blossen Auge unmerkliche, aber den
Z.-Dist. doch sehr schädliche Biegung annehmen, da diese die Fehler
von der Form a sin Z.-D. vermehren und die Z.-D. zu klein 1 ) machen
muss? Mich dünkt, da man jetzt alle Fehlerquellen so sorgfältig weg-
schafft, so müsste der Beobachter auch ganz sicher sein, dass sein Ho
rizontalfaden nie von einer geraden Linie abweiclie. Repsold zieht
jetzt die Spinnfäden über Wasserdämpfen ein, um sie bei ihrer grössten
Feuchtigkeit zu spannen. Dies mag viel helfen; aber völlig sicher ist
man nicht. Es kommt immer darauf an, ob die Elasticität der Spinn
fäden, nachdem sie mehrere Male feucht und trocken geworden sind,
immer dieselbe bleibt, und daran ist doch wohl sehr zu zweifeln. Ob
Fäden von Asbest, die Teoughton bei einigen Instrumenten angebracht
hat (er hat davon Fäden zu erhalten gewusst, die nur - iö Vo eines Zolls
im Durchmesser hatten) alle erforderlichen Eigenschaften haben, ist mir
nicht bekannt. Von Platinafäden, die man dadurch in unglaublicher
Feinheit sich verschaffte, dass man die Platina in Silber einschloss, mit
diesem zu möglichst feinen Fäden zog, und dann das Silber durch Sal
petersäure wieder auflöste, ist, soviel ich weiss, noch kein wirklicher
astronomischer Gebrauch gemacht worden. — Ich meine, man sollte alle
Fäden abschaffen, und statt derselben Linien auf einer dünnen ganz
durchsichtigen Glasplatte gebrauchen. Ich habe in Paris gesehen, dass
sich diese Linien auf Glas in einer Feinheit und Sauberkeit ziehen
lassen, denen wohl kein Spinnfaden gleichkommen kann. —
Doch Sie lächeln gewiss, lieber Gauss, über den Laien, — denn
das bin ich durchaus im Beobachten mit fixen Instrumenten — der
hier mitsprechen will. Gern möchte ich doch Ihr Urtheil und Ihre
Belehrung hören, ob Sie die Spinnfäden für ganz gefahrlos halten, und
ob den Mikrometern oder Linien auf Glas vielleicht andere Schwierig
keiten im Wege stehen?
No. 384. Gauss an Olbers. * 2 ) [iu
Göttingen, 1820 Mai 1.
Tausend Dank für Ihren lieben Brief vom 16. 3 ) Apr., den mir Hr.
Kulenkamp gestern überbracht hat. Besonders lieb war es mir, von
*) Eine derartige Fehlerquelle vergrössert die Z.-Dist., was Gauss im folgenden
Briefe berichtigt. Krm.
2 ) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.
8 ) Muss wohl Apr. 12 heissen. Sch.