Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Februar 11. 169
nicht, theuerster Freund, dass ich bereue, Ihrem Rathe gefolgt zu sein,
der gewiss nach menschlicher Klugheit der beste war; und ich bin
weit entfernt, die Angemessenheit eines Schrittes nach dem Erfolge zu
beurtheilen. Ich lerne immer mehr aus Erfahrung, dass nach dem ge
wöhnlichen Laufe der Dinge diejenigen fast immer schlecht fahren, die
da, wo es gilt, zu bescheiden sind.
Den ENCKE’schen Kometen habe ich einige Abende vergeblich ge
sucht. Ich lasse dahingestellt sein, ob ich [ihn] nicht doch sehen könnte,
wenn sein Platz genau bekannt wäre, und man so alle Kraft des Auges
auf einen bestimmten Punkt koncentriren könnte; aber das vage Suchen
möchte schwerlich gelingen. Auch bei dem Kometen von 1815 kam
es im Aug. sehr zu statten, dass sein Ort mir auf die Minute im voraus
bekannt war.
Der einfüssige Spiegel ist vollendet, und ich habe ein paar Ver
suche auf etwa 2000 m Entfernung damit gemacht; das Licht ist
überaus prachtvoll. Allein es hat sich ein Umstand hervorgethan, der
die Brauchbarkeit dieser Aufstellung, wie sie bis jetzt ist, fast ganz
aufhebt. Das geringste Lüftchen wirkt so stark auf die grosse Fläche,
dass der Spiegel sich gleich verstellt, und bei etwas stärkerem Winde
treibt er gleich einem Windmühlenflügel um. Ohne Hemmung und
vielleicht ohne feine Bewegung wird er schwerlich zu gebrauchen sein.
Ich bin nun aber seitdem auf eine veränderte Einrichtung gekommen,
wie mit einem so grossen Spiegel das Licht ebenso genau, ebenso sicher
und ebenso ununterbrochen wie mit den beiden Heliotropen gelenkt
werden kann, deren Beschreibung aber für meinen heutigen Brief zu
weitläufig sein würde. Zum Telegraphiren würde ich diese neue Ein
richtung für die allervortheilhafteste halten, da die Berichtigungen des
Apparats ohne Vergleich einfacher sind als bei den beiden Heliotropen,
und von jedermann leicht erlernt werden können. Auch für das Winkel
messen könnte man einen solchen Apparat anwenden (doch muss dann
der grosse Spiegel sehr vollkommen sein), w r enn man nur ein Brett mit
einer angemessenen Oeffnung vorsetzte, so dass (abgerechnet was die
Nähe der Sonne zum Horizont am Lichte schwächt) dieses bei jedem
Auffall-Winkel gleiche Stärke behält. Auch scheint mir, dass ein
solcher Apparat viel wohlfeiler sein würde als die beiden ersten He
liotrope.
Die Richtung mit Hülfe eines Theodolithen kann auch ohne
Schwierigkeit geschehen, wenn man einen grossen Spiegel hat. Man
darf nur das Fernrohr des Theodolithen durch Azimuth und Höhe in
diejenige Richtung bringen, welche der gewünschten des Lichtes ent
gegengesetzt ist, den Spiegel davorstellen, so lange drehen, bis man das
daraus reflektirte Sonnenbild auf der Gesichtslinie des Fernrohrs hat,