Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

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Olbers an Gauss. Bremen, 1822 Juni 9. 
wissen, ob wohl ein 8 zölliger repetirender REicHENBACH’scher Theodolith, 
wie ihn Utzschneider als fertig in den Astr. Nadir, ausbietet, zu den 
Winkelmessungen eine hinreichende Genauigkeit gewähren könne? Ich 
bitte Sie, lieber Gauss, beantworten Sie mir doch diese Frage. 
Wenn ich den Nov. noch erleben sollte, so werde ich bei meinem 
unbehülflichen Alter in einer so vorgerückten Jahreszeit eine Reise 
nach Berlinnur auf den einzigen Fall unternehmen, wenn ich glauben 
könnte, dadurch etwas dazu beizutragen, Ihnen eine Ihrem Geiste und 
einzigen Talenten angemessene Stelle zu verschaffen. Dazu sehe ich aber 
bei meiner Unbekanntschaft mit den Preussischen Ministern keine 
Wahrscheinlichkeit. Hier will man als gewiss behaupten, dass man 
dem Könige vor der Hand mit gar keinem Vorschlag irgend einer neuen 
Anstellung im Zivilfach kommen dürfe. Da sich nämlich auch in den 
Friedensjahren seit 1816 in den Preussischen Finanzen ein jährliches 
Deficit von 4 bis 5 Millionen gezeigt, so habe Fürst Hardenberg den 
König endlich von der Notliwendigkeit überzeugt, seinen Militair-Etat 
und besonders auch seine ihm so lieben Garden bedeutend zu ver 
mindern; höchst ungern und grämlich habe der König dieser Noth- 
wendigkeit nachgegeben, zugleich aber erklärt, dass, wenn er den 
Militair-Etat beschränken müsse, auch eine verliältnissmässige Ersparung 
beim Civil-Etat eintreten müsse und solle. Dies habe der Fürst auch 
versprochen, und der König verweigere seitdem die Unterzeichnung 
jeder Civil-Anstellung oder Beförderung, wenn er nicht von ihrer un 
umgänglichen Nothwendigkeit überzeugt würde. — Wahrscheinlich haben 
auch Sie dies oder etwas Aehnliches aus Berlin gehört. Auch mein 
Bekannter, wovon ich Ihnen einmal Erwähnung that, hat unerachtet 
des vortheilhaftesten Yorschreibens seiner Oberen die längst erwartete 
Ausfertigung seiner Anstellung nicht erhalten können. 
Da Ihr Brief nichts vom Kometen * 2 ) erwähnt, so vermuthe ich, 
dass er auch in Göttingen wohl nicht gesehen sein wird. Ich habe 
ihn nicht gesehen, woran theils die nächtliche Dämmerung, theils der 
Umstand Schuld sein mag, dass die Himmelsgegend, wo der Komet 
stand, von meinem Zimmer nicht zu sehen ist. — Die Ankündigung 
dieses Kometen in den französischen Papieren verdient doch Tadel. 
Das Jouni. de Paris sagte, Gambart habe am 12. Mai den Kometen 
bei dem 2. Stern des Stiers entdeckt. Es war doch nicht so ganz 
leicht zu rathen, dass dieser 2. Stern des Stiers ß Tauri sein sollte. 
V enigstens glaube ich nun, dass dies der Sinn jener Bezeichnung sein 
x ) Zu Bode’s Jubiläum. Krm. 
2 ) Komet 1822 I. Entdeckt Mai 12 von Gambart in Marseille, d. 14. von Pons 
zu Marlia und d. 16. von Biela zu Prag. Krm.
	        
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