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Gauss an Olbers. Gottingen, 1823 November 2.
no. 484. Gauss an Olbers. [226
Göttingen, 1823 November 2.
Seit langer Zeit habe ich Ihnen kein Lebenszeichen gegeben, ob
gleich ich für mehrere Ihrer freundlichen Briefe in Ihrer Schuld bin.
Zuerst muss ich Ihnen nun verbindlichst danken für die Uebersendung
des Berichts des Hin. Senator Gildemeister von seiner Rekognos-
cirungsreise. Es sind dadurch zwei Facta gewonnen, die noch bei der
Hoffnung der Möglichkeit einer geraden Verbindung Bremens mit meinen
nord-westl. Punkten in Konsideration kommen; dass es nämlich 1) eine
Stelle auf dem Brüttendorfer Felde giebt, wo Bremen sichtbar ist, und
2) dass es auch bei Höperhöfen einen Platz giebt, wo Bremen gewiss, Wilsede
wahrscheinlich und Elmhorst vielleicht sichtbar ist. Immer bleibt jedoch
dabei die Möglichkeit, ein gutes Dreiecksystem in dieser Gegend zu
formiren, noch sehr ungewiss. Lange Linien in der Richtung von 0
nach W lassen sich, wie wir nun wissen, manche effektuiren, das
Schlimme ist nur, dass Linien von einiger Bedeutung im Sinn von N
nach S gar nicht westlich von der Linie Elmhorst—Litberg sich wollen
auffinden lassen. Vielleicht könnte man noch eher durchkommen, wenn
man sich entschliessen wollte, einige Stationen in der Luft zu nehmen,
wo vielleicht die Gegend von Kirchwalsede in besondere Konsideration
zu ziehen wäre; allein ungern möchte ich mich dazu verstehen. Wie
viel mehr Zeit, Geld und Beschwerde würde dies kosten, und doch
würde man, zumal da die Gerüste wohl zum Theil bedeutend hoch sein
müssten, an einer Hauptsache, der soliden Aufstellung, so sehr viel ver
lieren. Die Gerüste selbst würde ich übrigens nicht zu Zielpunkten
machen, sondern nur zu Trägern des Theodolithen und der Heliotrope.
Ferner habe ich Ihnen für die gütige Kommunikation der Briefe
über die eigene Bewegung der Fixsterne zu danken; ich werde sie
Ihnen, wenn Sie einen Werth darauf legen, demnächst wieder zustellen.
Sinnreich und treffend ist Ihre Parallele mit den geocentrischen Kometen
bewegungen, und es würde immer interessant sein, das was die Wahr
scheinlichkeitsrechnung a priori lehrt, faktisch daran nachzuweisen.
Auf dem Brocken ist mir leider das Wetter überaus ungünstig
gewesen. Zur Verbesserung des Winkels zwischen dem Hohehagen und
Hils habe ich zwar gute und zahlreiche Beobb. erhalten, auch den
Hercules habe ich an ein paar Tagen bei bedecktem Himmel gut ein
schneiden können; dagegen ist die Bestimmung der Richtungen zum
Inselsberg und Meisner sehr dürftig ausgefallen; nur 15mal habe ich
binnen 18 Tagen dieselben einschneiden können. Gerling hatte während
dieser ganzen Zeit den Brocken kein einziges Mal geschnitten, da ein