Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

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Olbers an Gauss. Bremen, 1823 December 20. 
reich gefunden zu haben glaubt, die Meridianbogen in unserem nörd 
lichen Deutschland einer weit grösseren Abplattung angehören dürften, 
als die allgemeine Abplattung für die ganze Erde im Mittel beträgt. 
Aber dies kann doch zwischen Hamburg und Altona so viel wie 
nichts, zwischen Göttingen und Altona nur einen kleinen Theil jener 
5"| erklären. — Sollten auch hier schon Lokal-Anziehungen per- 
turbirend aufs Loth ein wirken? — Auf meine Anfrage, welche Breite 
von Altona denn aus den mit dem Zenith-Sektor in Lauenburg an- 
gestellten Beobb. folge, erwiderte er, dass diese erst jetzt reducirt 
würden. Ich bin höchst neugierig auf das Resultat dieser Reduktionen. 
Von der anderen Seite folgt ja aus Müffling’s Dreiecken die Länge 
von Berlin 1'3" grösser, als sie aus so vielfältigen astronomischen 
Beobb. hergeleitet wurde, die mir kaum noch auf eine Zeitsekunde diese 
Länge ungewiss zu lassen schienen. Auch dies muss also wohl in der 
angenommenen für unsere Gegenden nicht passenden Abplattung liegen. 
Ebenso und noch mehr als diese Anomalien in der Figur unserer 
Erde hat mich diese Zeit über Pond’s Abhandlung über die von ihm 
vermeintlich bemerkten Veränderungen mehrerer Sterne nach Süden seit 
1813 befremdet. Zwar glaube ich noch immer, dass diese angeblichen 
Verrückungen, denen Bessel’s und Brinkley’s gleichzeitige Beobb. wider 
sprechen, doch nur in Fehlern von Pond’s Instrument, Pond’s Beobb. 
und Pond’s Reduktionen in vorigen oder jetzigen Zeiten ihre Ursache 
und Erklärung finden werden; müsste man sie aber als wirklich und 
wahr annehmen, so würde meiner Meinung nach daraus folgen, dass 
sich unser Nordpol etwa 1"4 gegen die Waage oder den Anfang des 
Skorpions zu bewegt habe. Dies würde erklären, warum die Bewegung 
nach Süden von den Al abhängig scheint. Dass aber alle Sterne nach 
Süden und bei grösserer Polardistanz um so mehr nach Süden gerückt 
scheinen, möchte ich bloss darin suchen, dass Pond jetzt eine stärkere 
Refraktions-Korrektion anwendet als vordem. Ich habe nämlich aus 
seiner Abhandlung über die Parallaxe von a Lyrae gesehen, dass er 
jetzt alle Sorgfalt anwendet, damit die innere Temperatur seiner Stern 
warte der äusseren gleich sei, und dies das ganze Jahr hindurch bis 
auf 1° erhalten zu haben glaubt. Vorher war also wahrscheinlich im 
Mittel die innere Temperatur der Sternwarte immer um ein paar Grade 
grösser als die der äusseren Luft, und da er nach dem inneren Thermo 
meter die mittlere Refraktions-Korrektion verbessert, so müsste er ehe 
mals immer eine kleinere Refraktions-Korrektion anwenden als jetzt. 
Ist wirklich eine solche Veränderung des Pols in der angegebenen Rich 
tung vorgefallen, so müsste jetzt die Dekl. des Polaris um 1"| geringer 
und die Ai von <5 Ursae minoris fast um 25" grösser sein als vorher. 
Dann wäre noch zu untersuchen, ob sich bloss die bisherige Rotationsaxe
	        
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