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Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Februar 1.
gross. Sie drücken sich so ans, als halten Sie für zweifelhaft, ob er dieses
wirklich geäussert habe, und nehmen es nur unter der Voraussetzung
an, dass ich seine Refraktion aus Gründen nicht gebraucht hätte. Allein
diese Voraussetzung hat nicht Statt, und Bessel iveiss, dass ich seine
Refraktion gebraucht habe, obgleich seine Gründe mich keineswegs
überzeugt haben, dass es notliwendig sei, die äussere Temperatur zu
Grunde zu legen. Letzteres habe ich jedoch bisher der Gleichförmig
keit wegen wirklich getlian.
Was übrigens meine Polhöhe betrifft, so ist sie allerdings insofern
hypothetisch, als ich die Inflexion des Fernrohres noch nicht hinreichend
untersucht habe. Insofern diese Inflexion vernachlässigt wird, kann ich
von meiner Polhöhe nach den Beobb. von 1820 nichts ablassen. Die
eigene Untersuchung der Inflexion halte ich keineswegs für unnöthig,
sondern sie ist nur verschoben, bis Zeit dazu sein wird. Dass ich sie
aber bisher = 0 gesetzt habe, geschah
1) weil die wenigen Beobb. aus dem Wasserhorizont gar keine
merkliche Flexion anzeigen,
2) weil Bessel’s Dekl. der südlichen Sterne (Fundamental-Sterne)
sehr gut mit den mehligen übereinstimmen.
Es ist an sich nicht unmöglich, dass zahlreiche Beobb. eine nicht
ganz unmerkliche Flexion geben und vielleicht meine Polhöhe um 1"
kleiner geben können. Allein dann würden alle meine Bestimmungen
der Fundamentalsterne südlicher werden als die BESSEL’schen, und ich
habe durchaus keinen Grund, meine Bestimmungen für weniger genau
zu halten als die BESSEL’schen.
Auf keinen Fall aber kann ich darin auch nur den kleinsten Grund
zur Verminderung meiner Polhöhe finden, dass ihre Uebertragung auf
München vermittelst der geodätischen Messungen 1",7 mehr giebt als
die dortigen Messungen,
1) weil die Uebertragung vermittelst solcher Elemente geschieht,
die aus fremden Gradmessungen entlehnt sind, die zwar grösseren Um
fang hatten, deren astronomischer Theil aber gewiss mit schlechten
Hülfsmitteln gemacht ist,
2) weil ich jetzt gar nicht mehr an ein regelmässiges Schritthalten
der Polhöhe mit den geodätischen Messungen glauben kann. Sehen Sie
nur die Mailänder Eph. von 1823 an, wo in Ober-Italien sich Unter
schiede finden, die man unmöglich den astronomischen Beobb. zur Last
legen kann. Die Vergleichung der Zenithdistanzen der Sonne in Lauen
burg 1819 mit den meiuigen von 1820 giebt die Amplitude auch 4"
kleiner als die geodätischen Messungen; Zach’s Brockenbeob. nicht zu
gedenken, die eine fast 3mal so grosse Differenz in entgegengesetztem
Sinne geben, die doch auch schwerlich der astronom. Beob. zur Last ge