Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

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Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Februar 19. 
Vielleicht beobachten Sie diesen Kometen auf der Göttinger Stern 
warte schon lange. Sollte dies aber nicht sein, so bitte ich, obige 
Position auch Hrn. Prof. Hakding mitzutheilen, an den zu schreiben es 
mir heute an Zeit fehlt. 
No. 596 Gauss an Olbers. [282 
Göttingen, 1826 Februar 19. 
Sie haben Recht, es ist eine halbe Ewigkeit, dass ich nichts von 
mir habe hören lassen, und Sie haben mich durch Ihren gütigen Brief 
gleichsam beschämt. Krankheit kann ich eigentlich als Entschuldigung 
nicht anführen, ich weiss eigentlich selbst nicht, ob ich mich krank 
oder gesund nennen soll. Ich leide eigentlich an nichts als an Schlaf 
losigkeit und deren Folgen. Selten schlafe ich eine Nacht mehr als 
eine oder zwei Stunden. Die Ursache liegt nicht unmittelbar in meinem 
Körper, sondern in meinen Beschäftigungen 1 ), zum Theil wohl im Miss 
verhältnis meiner Beschäftigungen. Ich wüsste kaum eine Periode 
meines Lebens, wo ich bei so angestrengter Arbeit, wie in diesem 
Winter, doch verhältnissmässig so wenig reinen Gewinn geerntet hätte. 
Ich habe viel, viel Schönes herausgebracht, aber dagegen sind meine 
Bemühungen über anderes oft Monate lang fruchtlos gewesen. Wenn 
dem Geiste ein gewisses Ziel dunkel vorscliwebt, ohne welches erreicht 
zu haben das Uebrige lückenhaft erscheint, nicht wie ein Gebäude, 
sondern wie Mauersteine zu einem Gebäude, — kann man nicht ab- 
lassen, darüber anhaltend zu meditiren, 100 verschiedene Versuche zu 
machen, und fühlt sich unbehaglich, wenn einer nach dem andern wie 
ein Irrlicht spottend entflieht. Ich bin fest überzeugt, dass in einer 
anderen äusseren Lage alles besser gehen würde: „Unabhängigkeit“, 
das ist das grosse Losungswort für Geistesarbeiten in die Tiefe. Aber 
wenn ich meinen Kopf voll von in der Luft schwebenden geistigen 
Bildern habe, die Stunde heranrückt, wo ich Kollegien lesen muss, so 
kann ich Ihnen nicht beschreiben, wie angreifend das Abspringen, das 
Anfrischen heterogener Ideen für mich ist, und wie schwer mir oft 
Dinge werden, die ich unter anderen Umständen für eine erbärmliche 
9 Gatjss beschäftigte sich um diese Zeit mit den Untersuchungen zur höheren 
Geodäsie, als Resultat legte er 1826 Sept. 16 das Supplementum theoriae comb, obs., 
1827 Okt. 8 die Disquisitiones gen. circa superficies curvas der Göttinger Societät 
vor, von denen noch später die Rede sein wird. Vergl. auch Bd. VIII der Werke, 
Nachlass: Zur Transformation der Flächen und Neue allgemeine Untersuchungen über 
die krummen Flächen, S. 405—443, Bd. IX, Nachlass: Conforme Abbildung des Sphä- 
roids in der Ebene, S. 141—204; ferner auch Brief No. 598 an Olbers. Krm.
	        
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