Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Februar 19.
439
ABC-Ar beit halten würde. Die Rathschläge, die man in solchen Fällen
giebt, kenne ich wohl; man meint, man solle eine solche Beschäftigung
eine Zeit lang ganz bei Seite setzen u. dergl., aber ich weiss auch,
dass ein solcher Gang nicht zum Ziel führt. Ich habe in meinem
wissenschaftlichen Leben öfter den Fall gehabt, dass ich, durch äussere
Umstände veranlasst, Beschäftigungen, die nicht glückten, bei Seite legte,
und die allerdings später glückten, z. B. mein Beweis für das Haupt
theorem der Lehre von den Gleichungen 1 ), der in dem 3. Bande unserer
Comm. steht; aber ich habe nachher die lOfache Anstrengung gehabt,
nur erst wieder auf den Punkt zu kommen, auf dem ich schon früher
mehr als einmal gewesen war. Inzwischen, lieber Olbers, will ich Sie
nicht mit Klagen über Dinge [er]mi\den, die nicht zu ändern sind; meine
ganze Stellung im Leben müsste eine andere sein, wenn dergleichen
Widerwärtigkeiten nicht öfter eintreffen sollten.
Den Kometen habe ich, gleich nachdem ich Ihre Nachricht erhalten,
am 1. Febr. aufgeflinden und observirt; nachher habe ich die Beobb.
Harding übergeben, nachdem ich die Gesichtsfelder der verschiedenen
Okulare nach meiner Methode bestimmt hatte. Er hat bis zum 14. ob
servirt, und die rohen Beobb. sind wohl verwahrt; ich behalte mir vor,
bei mehrerer Müsse erst meine Methode, die Refraktion zu berechnen,
in Ordnung zu bringen.
Es gereicht mir — daran erinnert mich die eben angedeutete Me
thode, den Durchmesser des Gesichtsfeldes zu bestimmen — zum Ver
gnügen, dass ich eine Idee zuerst ins Leben gerufen habe, die für die
gesammte praktische Astronomie von unendlicher Wichtigkeit ist. Man
hat mir nachgewiesen 2 ), dass Rittenhouse und Lambert schon eine
ähnliche Idee gehabt haben, inzwischen war die Idee bisher doch eine
tote, jetzt ist sie lebendig. Es scheint, dass sie in den Köpfen der
praktischen Astronomen erst recht zur Klarheit bringt, für jede Auf
gabe der praktischen Astronomie das direkte Mittel sofort aufzuspüren, * 3
x ) Demonstratio nova altera theorematis oranera functionem algebraicam ratio
nalem integrain unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi
posse, 1815 Dee. 7 der Göttinger Societät vorgelegt, wiederabgedruckt in Bd. III,
S. 31—56 der Werke. Vergi, hierzu auch Notiz 141 (1812), S. 41 in Gauss’ Wissen
schaftlichem Tagehuch, herausgegeben von F. Klein in der Festschrift zum 150jähr.
Bestehen d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Berlin 1901. Den 3. Beweis des Funda
mentalsatzes der Algebra fand Gauss gleich darauf (1816 Jan. 30 der Societät vorge
legt); Werke Bd. Ili, S. 57—64. Krm.
3 ) Bohnenberger, neue Methode, den Indexfehler eines Höhenkreises zu be
stimmen und die Horizontal-Axe eines Mittagfernrohres zu berichtigen, ohne Loth
oder Libelle, A. N. Bd. IV, No. 89. Siehe auch Brief No. 153 im Briefwechsel Gauss-
Bessel, ferner Brief v. 2. Dee. 1828 von Schumacher an Gauss und die Antwort
Gauss’ v. 7. Dee. (Briefwechsel Gauss-Schumacher Bd. II No. 351 und 352). Krm.