Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

№ 
Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Mai 14. 
453 
e nicht 
Aufsatz quciest. geführt ist. Dass diesem Aufsatz ganz das Formelle, was 
zu einem Beweise gehört, abgeht, werden Sie mir wohl einräumen. In 
der That finden wir nur eine kleine Induktion von 4 bis 5 Versuchen. 
Es ist möglich, es ist wahrscheinlich, dass Encke in dem Gange der 
Rechnung subjektive Gründe gefunden hat, sich damit zu begnügen, 
aber für den blossen Leser seines abgeschlossenen Aufsatzes bleiben 
doch allerlei Bedenklichkeiten zurück. Wodurch erhält der die Gewiss 
heit, dass es jenseits der Versuche nicht wieder anders gehen könne, 
dass es für einen vorausgesetzten Werth des ersten Abstandes nicht 
mehr als eine Auflösung geben könne u. s. w. ? Ich gestehe, dass ich 
an Encke’s Stelle mich für verpflichtet gehalten haben würde, diese 
Rechnungen in viel grösserem Umfange nicht bloss zu führen, sondern 
auch darzulegen. 
Aber jetzt komme ich erst zui Hauptsache. Indem er die Distanzen 
immer abnehmen lässt, kommt er zu einer immer besseren Darstellung 
der Beobb. Aber bei diesen abnehmenden Distanzen durfte er schlechter 
dings sich nicht auf die KEPLER’sclien Gesetze beschränken, sondern 
musste die Anziehung der Erde mit berücksichtigen. Es ist mir fast 
unbegreiflich, dass Encke, der doch selbst sagt, dass bei so geringen 
Distanzen die Attraktion der Erde enorm werden muss, nicht gefühlt 
hat, dass seine beiden letzten Bahnen schon wahre Non-Entia sind, aus 
denen sich schlechterdings gar nichts schliessen lässt. Wer bürgt uns 
dafür, dass, wenn z. B. in seiner vorletzten Hypothese die Anziehung 
der Erde gehörig mit berücksichtigt wäre, anstatt des Resultats — 11' 45" 
nicht vielleicht ein Fehler mit entgegengesetztem Zeichen hervorgegangen 
wäre? Aber hier reicht man mit vagen Ueberschlägen, die so oft irre 
führen, nicht aus, nur eine strenge Rechnung kann Gewissheit geben, 
und sehr gern räume ich ein, dass der ganze Bettel derselben nicht 
werth ist. Ich wollte lediglich meine Ansicht erklären, nach der es 
mir nicht gerade ungereimt scheint, den Beweis noch nicht für einen 
wahren, allen Zweifel durchaus ausschliessenden Beweis zu erkennen. 
In der That halte ich die Bedingnisse eines Beweises in einem solchen 
Falle für so schwierig, dass selbst nach viel weiter getriebenen Rech 
nungen, als Encke gegeben hat, ich Bedenken tragen würde, die 
Sache für bewiesen zu erklären, wenigstens würde ich, falls ich selbst 
die Rechnungen geführt hätte und subjektiv so gut wie gar keinen 
Zweifel mehr hätte, doch immer noch fürchten, dass ich andere dadurch 
nicht eigentlich überzeugt habe, sondern dass sie höchstens nur den 
Beweis in gutem Glauben zugäben. 
Ich wünsche sehr, theuerster Olbers, dass Sie diesen Versuch, 
mich über meine Hartnäckigkeit zu entschuldigen, nicht missdeuten, 
sondern ihn mit Ihrer gewohnten Nachsicht aufnehmen mögen. Dass
	        
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