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Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Mai 14.
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Aufsatz quciest. geführt ist. Dass diesem Aufsatz ganz das Formelle, was
zu einem Beweise gehört, abgeht, werden Sie mir wohl einräumen. In
der That finden wir nur eine kleine Induktion von 4 bis 5 Versuchen.
Es ist möglich, es ist wahrscheinlich, dass Encke in dem Gange der
Rechnung subjektive Gründe gefunden hat, sich damit zu begnügen,
aber für den blossen Leser seines abgeschlossenen Aufsatzes bleiben
doch allerlei Bedenklichkeiten zurück. Wodurch erhält der die Gewiss
heit, dass es jenseits der Versuche nicht wieder anders gehen könne,
dass es für einen vorausgesetzten Werth des ersten Abstandes nicht
mehr als eine Auflösung geben könne u. s. w. ? Ich gestehe, dass ich
an Encke’s Stelle mich für verpflichtet gehalten haben würde, diese
Rechnungen in viel grösserem Umfange nicht bloss zu führen, sondern
auch darzulegen.
Aber jetzt komme ich erst zui Hauptsache. Indem er die Distanzen
immer abnehmen lässt, kommt er zu einer immer besseren Darstellung
der Beobb. Aber bei diesen abnehmenden Distanzen durfte er schlechter
dings sich nicht auf die KEPLER’sclien Gesetze beschränken, sondern
musste die Anziehung der Erde mit berücksichtigen. Es ist mir fast
unbegreiflich, dass Encke, der doch selbst sagt, dass bei so geringen
Distanzen die Attraktion der Erde enorm werden muss, nicht gefühlt
hat, dass seine beiden letzten Bahnen schon wahre Non-Entia sind, aus
denen sich schlechterdings gar nichts schliessen lässt. Wer bürgt uns
dafür, dass, wenn z. B. in seiner vorletzten Hypothese die Anziehung
der Erde gehörig mit berücksichtigt wäre, anstatt des Resultats — 11' 45"
nicht vielleicht ein Fehler mit entgegengesetztem Zeichen hervorgegangen
wäre? Aber hier reicht man mit vagen Ueberschlägen, die so oft irre
führen, nicht aus, nur eine strenge Rechnung kann Gewissheit geben,
und sehr gern räume ich ein, dass der ganze Bettel derselben nicht
werth ist. Ich wollte lediglich meine Ansicht erklären, nach der es
mir nicht gerade ungereimt scheint, den Beweis noch nicht für einen
wahren, allen Zweifel durchaus ausschliessenden Beweis zu erkennen.
In der That halte ich die Bedingnisse eines Beweises in einem solchen
Falle für so schwierig, dass selbst nach viel weiter getriebenen Rech
nungen, als Encke gegeben hat, ich Bedenken tragen würde, die
Sache für bewiesen zu erklären, wenigstens würde ich, falls ich selbst
die Rechnungen geführt hätte und subjektiv so gut wie gar keinen
Zweifel mehr hätte, doch immer noch fürchten, dass ich andere dadurch
nicht eigentlich überzeugt habe, sondern dass sie höchstens nur den
Beweis in gutem Glauben zugäben.
Ich wünsche sehr, theuerster Olbers, dass Sie diesen Versuch,
mich über meine Hartnäckigkeit zu entschuldigen, nicht missdeuten,
sondern ihn mit Ihrer gewohnten Nachsicht aufnehmen mögen. Dass