Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

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Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 März 1. 
viele Sekunden) um die Werthe, die man unter Voraussetzung irgend 
eines regelmässigen Ellipsoids berechnet, und ebenso schwanken die 
wirklichen Pendellängen um die berechneten (das mittlere Schwanken 
der Pendellängen vielleicht englische Linie). Aber eben deshalb 
können Gradmessungen von kleiner Ausdehnung wenig zur Kenntniss 
der mittleren Gestalt der Erde beitragen, namentlich halte ich den 
Lapländischen Bogen für viel zu klein. Um so wichtiger, däucht mir, 
ist es, dass nach und nach alle scharfen Triangulirungen in Europa in 
einen Zusammenhang gebracht werden. Ich habe jetzt Hoffnung, die 
bayrischen Dreiecke mitgetheilt zu erhalten. Wenn erst alle euro 
päischen Sternwarten von Abo bis Palermo und von Nicolajew bis 
Dublin durch Dreiecke Zusammenhängen, so dass ihre relativen Lagen 
gegen einander mit aller Genauigkeit, die die feinsten geodätischen 
Messungen verschaffen können, bestimmt sind, so wird man, d. i. so 
werden unsere Nachkommen alles mit viel mehr Sicherheit beurtheilen 
können. x ) 
In dem neuesten Stück der Hertha wird ein Memoire von Epailly 
erwähnt über seine Messungen im Hannoverschen; ist Ihnen darüber 
etwas Näheres oder auch nur der Titel bekannt? 
Nach einem Briefe des Hrn. v. Humboldt * 2 ) behauptet zwar La Place’s 
Arzt Magendie, ihn von seiner Krankheit, einem bösartigen Nerven 
fieber, geheilt zu haben, allein der Geheilte ist doch nach Humboldt 
noch unendlich schwach, verdaut schlecht und spricht oft ohne Zu 
sammenhang. — Ich bin überzeugt, dass Humboldt’s Rückkehr nach 
Berlin dem Gedeihen der exakten Wissenschaften in Deutschland die 
grössten Vortheile bringen wird. Auf das Lebhafteste interessirt er 
sich dafür, dass jedes ausgezeichnete Talent aufgemuntert werde. 
Die grösste Kälte hatten wir hier am 19. Morgens; um 8 Uhr las 
ich selbst —21°,5, eine Stunde vorher hatte Haeding —22°,0 gelesen. 
Die heitere Nacht vom 25.—26. wollte ich zu einer vorläufigen Be 
stimmung von Sternen benutzen, die ich am Zenithsektor beobachten 
werde; allein der grosse Temperatur-Unterschied (aussen —11°,5, innen 
— 4°) machte die Sterne so undeutlich, dass sie ein fast kometenartiges 
Ansehen hatten; um 3 Uhr früh fing es auch an trübe zu werden. 
Unter ähnlichen Umständen, wo nur kleine Oeffnungen und mässige 
A ergrösserungen leidliche Bilder geben, könnten Sie leicht der Präcision 
Ihres Fraunhofer Unrecht thun. Ich selbst gestehe gern, [dass ich] 3 ) noch 
durch kein Sehwerkzeug gesehen habe, was der Präcision meiner beiden 
9 Siehe Anmerkung 1 auf der vorigen Seite. Sch. 
2 ) Briefwechsel A. v. Humboldt-Gauss, Brief No. 19 vom 16. Febr. 1827. Krm. 
3 ) Diese Worte sind im Originalbrief abgerissen. Krm.
	        
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