Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 März 15. 
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No. 611. Gauss an Olbers. [288 
Göttingen, 1827 März 15. 
Ich 1 ) bin Ihnen sehr verpflichtet für die gefl. Uebersendimg der 
drei Hefte des Phil. Mag. Ich habe die Aufsätze von Ivory durch 
gesehen, und ich würde sagen müssen, dass ich dadurch sehr befremdet 
sei, wenn ich nicht durch die Abhandlung in den Phil. Trans., deren 
ich in meinem letzten Briefe erwähnte, schon vorbereitet gewesen wäre. 
Ich hatte Hrn. Ivory längst als einen scharfsinnigen Mathematiker 
geschätzt, der im Kalkül grosse Gewandtheit hat, von diesem Urtheil 
gehe ich auch noch nicht ab; allein rücksichtlich des Hauptpunkts in 
der erwähnten Abhandlung vermisse ich den logischen Zusammenhang 
und erkenne darin nichts weiter als eine haare Petitio principii. Sie 
werden mich nicht missverstehen. Ich lege wenig Werth auf eine 
streng logische Einkleidung, die, in Schriften für Männer und Kenner, 
oft nur Pedanterie sein würde; aber der streng logische Zusammenhang 
muss sich, wo es nur gefordert wird, überall nachweisen lassen, dies 
ist eine unerlässliche Bedingung eines guten Vortrags. Wenn ich einen 
Mathematiker sehr hochschätze und hierin etwas vermisse, so denke 
ich immer zuerst, dass es bloss im Vortrag liegt, und gehe schwer daran, 
anzunehmen, dass der Gedanke selbst leer ist. Aber bei Hrn. Ivory’s 
drei Aufsätzen bin ich leider dazu genöthigt. 
Die Abhandlung über die kleinsten Quadrate ist denn doch wirklich 
unter aller Kritik. Welche Verworrenheit, Unklarheit und völliger 
Mangel logischer Bündigkeit! Aber darüber könnte man noch weg 
sehen, wenn wirklich ein reeller Gedanke zu Grunde läge. Allein das 
ist durchaus nicht der Fall. Wie ist es möglich, dass das Geschwätz 
p. 163 u. 164 und als ein proof „tliat this principie leads necessarily to 
the method of tlie least squares“ venditirt wird! In der That weit ent 
fernt, dass daraus eine Nothwendigkeit der Methode der kleinsten Qua 
drate folge, kann man dieses Ganze* *) auf jede beliebige andere Be 
handlung der vorgegebenen Gleichungen an wenden; z. B. wenn, anstatt 
sie mit a, a', a" zu multipliciren, man sie mit irgend einer Potenz 
dieser Koefficienten multiplicirte oder auch sie dividirte. Die Abhand 
lung scheint in der That halb im Schlafe geschrieben zu sein, und Sie 
erlassen mir wohl, noch mehrere einzelne Stellen anzustechen, die Sie 
x ) Der Brief ist bis zu „das ENDE’scbe Verfahren“ auch abgedruckt in Gaues’ 
Werken Bd. VIII, S. 143—145. Krm. 
*) Versteht sich mit Ausnahme der Folge, dass es -f- e's' -(- e"e” .... ein Mi 
nimum wird; aber dies soll ja eben nicht Axiom sein, sondern bewiesen werden.
	        
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