Olbers an Gauss. Bremen, 1828 Juli 2.
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weil hier das von Eimini gegen die südlich davon gelegenen Appeninen
sich erhebende Terrain einwirkte.
Ob ich gleichwohl sah, dass hier allerdings Ausnahmen Vorkommen
müssen, so war ich doch geneigt, mir auch die in den übrigen Grad
messungen sich zeigenden Anomalien auf diese Art zu erklären; und
ich muss es gestehen, ich glaubte, dass man nur auf zwei Punkten im
Bereich Ihrer und Schumacher’s Messungen die eigentliche Polhöhe
des Idealsphäroids astronomisch zu finden Hoffnung habe, nämlich auf
dem Brocken und auf Helgoland. Ersterer schien mir als die höchste
Spitze des Harzgebirges, letzteres als einzelner Felsen mitten im Meere
alle sogenannten Lokalanziehungen auszuschliessen.
Ich sehe nun, dass ich mich in Ansehung des Brockens hässlich
geirrt habe. Die Unterschiede von 10" und gar 16" von den Polhöhen
von Göttingen und Altona könnten durchaus nicht stattfinden, wenn
auf dem Brocken selbst nicht das Loth perturbirende Einwirkungen
vorhanden wären. Aber sehr interessant scheint es mir doch noch
immer, diese grosse Anomalie durch Prüfung der ZACH’schen Breiten
bestimmung völlig zu konstatiren. Ich veranlasste also unseren Freund
Schumacher, den sich gerade damals in Altona aufhaltenden Hrn. Hansen
aufzufordern, die Bestimmung der Polhöhe des Brockens mit einem
Passage-Instrument, wie in Helgoland, zu wiederholen. Hansen erklärte
sich sehr bereitwillig dazu; nur könne er dies nicht auf seine Kosten
ausführen, auch sei die Genehmigung seines Herzogs dazu erforderlich.
Ein Brief an den Herzog von Coburg, der das Verdienstliche und
Wünschenswerte dieser neuen Breitenbestimmung darstellte, würde
unfehlbar alles in Ordnung bringen. Sie sehen leicht, mein allertheuerster
Freund, dass es eine höchst unbefugte Anmaassung von mir sein würde,
wenn ich einen solchen Brief schreiben wollte. Aber wenn auch Ihnen
die Sache wirklich so wichtig scheint, wie sie mir vorkommt, so werden
Sie sehr leicht durch ein paar Worte an den Herzog, welches mir bei weitem
am besten scheint, oder auch vielleicht durch einen ostensiblen Brief
an Hansen unseren Zweck erreichen können. — Da Hansen selbst
von Seeberg die Polhöhe 3" kleiner gefunden hat als Zach, so kann
man noch ganz wohl einen grösseren Fehler in der Polhöhe des Brockens
erwarten.
Auch Ivory hat ganz kürzlich, wie Ihr Dr. Schmidt, aus den
Gradmessungen die wahrscheinlichste Figur der Erde zu finden gesucht,
zwar auch die Methode der kleinsten Quadrate angewandt und das
Quadrat der Abplattung mit in Rechnung gebracht, aber nur die 5
ganzen Bogen, den von Peru, Indien, Frankreich, England und Schwe
den zu Grunde gelegt. Er findet die Abplattung = 0,003 24 = -g-J-g-,
den Grad des Aequators =60856 Fathoms u. s. w. Die Fehler der