Gauss an Olbers. [Göttingen, 1828 nach Juli 20.] 511
Die 1 ) Uebersetzung des Artikels der G. G. A. über meine die
krummen Flächen betreffende Abhandlung rührt, wie mir Schumacher
sagte, von Baily her. Er sagte mir zugleich von dem Ausfall des p.
Fayolle und wünschte etwas, was Baily zur Erwiderung brauchen
könne, zu erhalten. Ich sagte ihm, dass es für einen Geometer bloss
eines Winkes bedürfe, um die Unzulänglichkeit von Monge’s angeblichem
Beweise einzusehen. In der That enthält offenbar der Begriff einer in
eine Ebene abwickelungsfähigen Fläche ?iichts, als dass jedes Element
der einen Fläche auf das korrespondirende Element der anderen nach
Grösse und Gestalt passt; darin aber findet sich noch gar nichts von
dem Vorhandensein von geraden Limen, die ganz in der ersten Fläche
liegen, und nach denen sie nur gebrochen werden darf. Dieses Vor
handensein von solchen geraden Linien ist in allen mir bekannten an
geblichen Beweisen, vor dem mehligen, bloss erschlichen.
Schumacher hatte mir aber nichts von der ungezogenen Fassung
von Fayolle’s Note gesagt, die ich erst aus Ihrer gütigen Mittheilung
kennen gelernt habe. Ich werde daher Schumacher bitten müssen,
dass in meinem Namen von derselben auf keine Weise Notiz genommen
wird. Es folgt bloss, dass Fayolle und ich mit dem Namen geometre
und demonstration rigoureuse verschiedene Dinge bezeichnen.
Bei dem Anblick des Saturnringes habe ich bloss den Eindruck
gehabt, dass das Augenmaass wegen des nicht symmetrischen Ansehens* *)
kein reines Urtheil habe. Ich habe bei meinen trigono
metrischen Winkelmessungen unzählige Male die Erfahrung
gemacht, dass ich die Bisektion des Fadenintervalls bedeutend
unrichtig beurtheilte, wenn die Symmetrie fehlte, bei Helio
troplicht z. B. auf einem Thurm in massiger Entfernung; ich
musste in solchen Fällen immer, um richtige Messungen zu
machen, das Licht auf einen Faden bringen.
Den kleinen Unterschied, welchen Struve’s Messungen Fig. 27.
geben, muss ich auf sich beruhen lassen, aber ich glaube
nicht, dass man einen so kleinen Unterschied schon mit dem Augen
maass ohne Illusion sicher erkennen kann.
Ihrer Erklärung der Möglichkeit des Zusammenhaltens der Kometen
massen ohne Kern sehe ich mit Verlangen entgegen.
Darf ich wohl meine frühere Bitte, wenn Ihnen einige Sujets zu
Preisfragen beifallen, nochmals in Erinnerung bringen?
Durch die Uebernahme der Leitung der weiteren Ausdehnung der
Yon hier ab bis zu „bloss erschlichen“ auch abgedruckt in Gauss’ Werken
Bd. VIII, S. 444—445, vergl. daselbst S. 444 Theorem [1] des Nachlasses. Krm.
*) wegen des einseitigen Schattens p.