Olbers an Gauss. Bremen, 1828 August 12.
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wortet gebliebenen Preisfragen noch eine 3. hinzu zu fügen, bloss erklärt,
sie wolle den Preis der nach ihrem Urtheile wichtigsten mathemati
schen oder physisch-mathematischen Abhandlung ertheilen, die man ihr
einsenden würde, der Gegenstand möge betreffen, was er wolle. — Um
Ihnen aber doch meinen Gehorsam zu zeigen, setze ich hier einige
solcher Fragen her, mehr, dass Sie dieselben belächeln als gebrauchen
sollen. Dass sie Kometen-Astronomie betreffen, werden Sie schon im
voraus vermuthen, da Sie meine Vorliebe für dieselbe kennen.
1) Dieses Jahr wird es sich wahrscheinlich entscheiden, ob die
Kometen wirklich im Weltraum einen Widerstand erleiden oder nicht.
Dieser Widerstand rührt vielleicht grössten Theils von dem Stoff des
Thierkreislichtes her, und dieser Stoff ist vermuthlich nicht in Ruhe,
sondern die Partikelchen revolviren nach KEPLER’schen, durch ihre
Nähe untereinander modificirten Gesetzen um die Sonne. Der Wider
stand muss also auf rückläufige Kometen ganz anders wirken, als auf
rechtläufige u. s. w. Es ist wohl noch zu früh, eine Preisfrage über
die Gesetze, nach denen eine solche lewegte Materie die Kometenbahnen
afficiren muss, aufzugeben?
2) Können bei dem ENCKE'schen und auch bei dem BiELA’schen
Kometen nicht noch Säkular-Gleichungen oder Gleichungen von langen
Perioden stattfinden, die die Art, wie Encke und Damoiseau bisher
die Störungen dieser Kometen berechneten, nicht kennen lehrte?
3) Schon einmal habe ich Sie um Belehrung über folgende Frage 1 )
gebeten. Es ist erwiesen, dass bei den fast kreisförmigen und nahe
in einer Ebene liegenden Planetenbahnen die grossen Axen durch die
perturbirenden Kräfte nur periodische Aenderungen erleiden. Wenn
dies auch noch für die Pallas in aller Schärfe wahr bleibt, so muss es
für manche Kometen noch mehr oder weniger gelten. Die Frage, in
wiefern sich dieses Gesetz auch auf Kometen anwenden lässt, und unter
welchen Umständen sich ihre Bahnen demselben ganz entziehen, scheint
mir sehr interessant.
Eine Reise mit Ihnen, mein geliebtester Freund, oder zu Ihnen nach
Berlin, wo ich zugleich nicht nur Hrn. v. Humboldt, sondern auch
mir sehr nahe und sehr liebe Verwandte sehen könnte, hat allerdings
einen sehr grossen Reiz für mich. Aber leider muss ich auf alles
Reisen in dieser sublunarischen Welt Verzicht thun, und habe nur
noch die grosse Reise aus derselben vor mir. Wundern Sie sich in
zwischen nicht, wenn Sie etwa zufällig hören sollten, dass ich auf dem
x ) Im Brief No. 626 S. 499. Die gleiche Frage hatte Olbers auch im Brief
No. 327 y. 6. Mai 1828 an Bessel gestellt und von letzterem Antwort darauf im
Brief No. 328 v. 28. Aug. 1828 erhalten. Krm.