520
Olbers an Gauss. Bremen, 1829 März 3.
Verlegenheit gesetzt fand und mich dringend bat, ihm Fragen anzugeben,
so habe ich ihm bloss solche an die Hand geben können, die von seinen
eigenen Beschäftigungen nicht zu entfernt zu liegen schienen. Auch
hat er das Verdienst der Einkleidung ganz allein. Es ist mir jetzt
lieb, dass es so gekommen ist; wäre es mir wieder zugeschoben, so
hätte ich unter anderen gerade die Fragen die Kapillaraktion betreffend
mit vorgeschlagen, zu deren eigener Bearbeitung ich nun freie Hände
behalten habe. Die Reihe des Aufgebens wird nun erst 1831 an mich
kommen, wenn ich nicht früher dahin abberufen werde, wo höhere
Fragen gelöst werden.
Mein fast dreiwöchentlicher Aufenthalt in Berlin hat mir in
jeder Beziehung vielfachen Genuss gewährt. Ich finde das Leben in
Berlin sehr angenehm und meine Vorstellungen in mancher Hinsicht
berichtigt. Weiteres verspare ich auf eine mündliche Unterhaltung, in
dem ich die Hoffnung nicht aufgebe, Sie, mein theuerster Olbers, viel
leicht im nächsten Sommer einmal in Bremen zu sehen. Allgemein
war das Bedauern, dass Sie sich nicht auch zu dieser Reise ent
schlossen hatten.
Mein zweiter Sohn wird nächste Ostern hier seine Studien anfangen,
und mein jüngster sich der Landwirtschaft widmen. Beide machen
mir manche Sorge.
Vom Himmel habe ich seit langer Zeit wenig gesehen. Mit Mühe
habe ich lange nach der Opposition ein paar Ceresbeobb. 1 ) bei 14° Kälte
erhascht. — Die grosse Kälte hat einen starken Einfluss auf den Gang
der sonst unvergleichlichen HARDY’schen Uhr gezeigt. Den ENCKE’schen
Kometen habe ich nur ein paar Mal gesehen, da ich keine Hülfsmittel
habe zu Beobb., die sich mit den Dorpatschen vergleichen könnten.
Der zweite Refraktor in München, das Gegenstück zu dem Dorpatschen,
wird für Berlin angekauft werden, oder vielleicht jetzt schon sein.
Doch wissen Sie darüber und die Aussichten zu einer neuen Sternwarte
in Berlin wohl schon mehr durch unseren Freund Encke selbst.
No. 634. Olbers an Gauss. [333
Bremen, 1829 März 3.
Ihr lieber Brief hat mir eine um so grössere Freude gemacht, da
ich so lange, so sehr lange, in mehr als 5 Monaten, nichts Schriftliches
von Ihnen erhalten hatte. Inzwischen schrieb ich dieses lange Still-
9 A. N. Bd. VII, S. 329, Gauss’ Werke Bd. VI, S. 462. Krm.